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Berner Ärztepräsidentin: «Wir sind bereit, unseren Teil beizutragen»

Die Berner Ärztegesellschaft warnt vor Engpässen. Diese reichen immer öfter über die Grundversorgung hinaus. 

| Léonie Hagen | Wirtschaft
Die Ärztegesellschaft Bern warnt vor Engpässen. (Symbolbild: Unsplash)

Wer zur Hausärztin seines Vertrauens will, muss sich schon heute lange für einen Termin gedulden. Das Problem dürfte sich in Zukunft weiter verschärfen – und geht mittlerweile weit über volle Hausarztpraxen hinaus. Zu diesem Schluss kommt eine Versorgungsumfrage, welche die Ärztegesellschaft des Kantons Bern (BEKAG) vergangene Woche veröffentlicht hat.

Am stärksten betroffen ist die Kinder- und Jugendpsychiatrie: Hier verorten 86 Prozent der befragten Ärztinnen und Ärzte eine Unterversorgung. Ebenfalls stark unterversorgt sind die Psychiatrie und Psychotherapie (82 Prozent), die Hausarztmedizin (75 Prozent) und die Kinder- und Jugendmedizin (74 Prozent). Insgesamt liegt jede fünfte der erfragten Fachrichtungen im kritischen Bereich.

An sich sind diese Erkenntnisse wenig überraschend. Gemäss einer Analyse des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums verliert der Kanton Bern bis 2025 durch Pensionierungen mehr als einen Fünftel seiner Hausärzte ohne Ersatz. Eine Erhebung der Universität Bern kam schon 2021 zum Schluss, dass es je nach Anteil an zuziehenden und Teilzeit arbeitenden Ärzten bis 2026 mindestens 164 bis 315 neue Hausärztinnen und Hausärzte brauchen würde, um die Grundversorgung im Kanton Bern weiterhin sicherstellen zu können. Dafür müssten bis zu 58 Prozent der Medizinabgängerinnen im Kanton Bern sich für die Hausarztmedizin entscheiden. 

Neu zeigt sich aber, dass die Engpässe nicht nur die Psychiatrie und Grundversorgung betreffen. So orten fast 70 Prozent der Befragten auch eine Unterversorgung in der Dermatologie. Auch die Diabetologie (48 Prozent) und Gynäkologie (41 Prozent) liegen nur knapp unter der 50-Prozent-Grenze, ab welcher die Ärztegesellschaft von einer Unterversorgung spricht. 

Grund dafür ist einerseits der steigende Bedarf. Gerade in der Dermatologie kommt es immer häufiger zu weissem Hautkrebs und Alterserscheinungen, welche jeweils frühzeitig behandelt werden müssen. 

Vor allem aber fehle es schlicht überall an Ärzten, so Esther Hilfiker, Co-Präsidentin der Berner Ärztegesellschaft. Welche Fachgebiete betroffen seien, hänge davon ab, wie attraktiv die jeweiligen Rahmenbedingungen seien. Das zeigt sich auch in der Umfrage. Gut versorgt sind etwa Chirurgie, Radiologie und Kardiologie – Bereiche, die als attraktiv gelten. 

Ausbildungsmassnahmen wirken

Die Berner Ärztegesellschaft fordert deshalb dringend Massnahmen. So müsse die Anzahl der Studienplätze der Humanmedizin an der Universität Bern weiter erhöht werden. Die bestehenden Anstrengungen im Bereich der Aus- und Weiterbildungen müssten weiter intensiviert und auch auf Fachdisziplinen ausserhalb der Grundversorgung ausgedehnt werden, heisst es weiter. So könne etwa die ärztliche Weiterbildung im Kanton Bern neu
finanziert werden, sagt Esther Hilfiker. 

Doch selbst wenn die Universität Bern ihre Studienplätze im kommenden Jahr massiv erhöhen würde: So wie der Numerus Clausus wirkt auch jede Gegenmassnahme in der Ausbildung zehn bis fünfzehn Jahre versetzt. Es brauche deshalb dringend weitere Massnahmen, so Hilfiker. Zeitnahe Abhilfe schaffen könne etwa ein Abbau der administrativen Belastung, damit mehr Zeit für die Patientinnen und Patienten bleibe. Auch der neue ambulante Arzttarif sowie weniger regulatorische Massnahmen seien wirksame Verbesserungen. 

Die Berner Ärztegesellschaft setze sich ihrerseits für weitere Verbesserungen ein. So habe man etwa dazu beigetragen, das kantonale Programm «Praxisassistenz» um zehn Stellen zu erweitern. Damit werde der Lohnanteil, den Lehrpraktiker übernehmen, deutlich erhöht. Die BEKAG setze sich auch für bessere Rahmenbedingungen und Entlastung im ambulanten ärztlichen Notfalldienst ein, etwa mit einem Callcenter oder einem Pilotprojekt im Berner Oberland, das die Hausärztinnen vor Ort entlaste. Jeder Versuch trage seinen Teil zur Verbesserung der Lage bei, so Hilfiker. Politik und Ärzteschaft seien aufgerufen, das Problem gemeinsam anzugehen: «Wir sind auf jeden Fall bereit, unseren Teil beizutragen.»


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