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SCB

Meistertitel ist nur eine Frage der Zeit

2023/24 spielte der SCB bisher die beste Saison seit der letzten Meisterfeier. Eine Analyse, wie es zu dieser erfreulichen Hockey-Wetterlage kam.

| Klaus Zaugg | Sport
V. l.: Goalie Adam Reideborn, Captain Simon Moser, Samuel Kreis und Simon Kindschi jubeln an einem Auswärtsspiel. Foto: Tom Hiller/SCB
V. l.: Goalie Adam Reideborn, Captain Simon Moser, Samuel Kreis und Simon Kindschi jubeln an einem Auswärtsspiel. Foto: Tom Hiller/SCB

Der SC Bern hat sich ohne Ach und Krach, ohne Wenn und Aber und ohne Ausreden auf dem 5. Rang direkt für die Playoffs qualifiziert und sich gegenüber dem Vorjahr um drei Plätze verbessert. Eigentlich noch kein Grund zu Lob und Preis. Der 1. Platz – also die einzige Rangierung, mit der der wahre SCB restlos zufrieden sein kann und darf – war auch diese Saison in der Qualifikation noch in unerreichbarer Ferne. Aber es ist die erste Playoff-Direktqualifikation seit dem Frühjahr 2019, seit dem Ende der Jahre des Ruhmes.

Beste Saison seit der Meisterfeier

Unabhängig davon, wie weit es der SCB in den Playoffs bringen wird, und selbst bei einem Scheitern im Viertelfinal, dürfen wir jetzt schon sagen: Die Saison 2023/24 ist mit Abstand die beste seit der Meisterfeier 2019. Auf und neben dem Eis. Die klare Steigerung nach vier Jahren der Irrungen und Wirrungen hat nur wenig mit Transfers und Taktik, aber viel mit dem Führungspersonal zu tun. Die Macher der erfolgreichen SCB-Renaissance sind Trainer Jussi Tapola und der ehemalige Präsident und aktuelle Manager Marc Lüthi. Die überaus erfreuliche Saison können wir nur mit einem etwas uncharmanten und politisch vielleicht nicht ganz korrekten Blick zurück erklären. 

Nun, da der SCB wieder auf solidem sportlichem und wirtschaftlichem Grund und Boden steht, dürfen wir es rückblickend sagen: Der beispiellose Absturz von Rang 1 (2019) auf Rang 9 (2020) und sodann gar auf Platz 11 (2022) hatte nichts mit Pech oder äusseren Umständen zu tun. Eine Phase der Erneuerung, auch mit sportlichen Rückschlägen, ist nach drei Titeln in vier Jahren zwar nicht zu vermeiden. Ein Absturz in die sportliche Bedeutungslosigkeit und hockeypolitische Lächerlichkeit hingegen schon. Auch das dürfen wir rückblickend sagen: Der Erfolg, die drei Titel von 2016, 2017 und 2019 haben die SCB-Führung hoffärtig gemacht. Zeitweise ist Marc Lüthi zum Kaiser ohne Kleider geworden: Alle sahen, dass er bei zentralen Personalentscheiden im Sinne des Märchens nackt war. Aber es war – anders als im Märchen – kein Kind da, das es ihm zu sagen wagte. Also sind alle seine personellen Entscheidungen gerühmt statt kritisch hinterfragt worden. Das ist der Nachteil, wenn alle dem Chef nach dem Munde reden. Der grösste personelle Sündenfall der SCB-Historie (seit 1931) war die Berufung von Florence Schelling zur Sportchefin. Dafür hat der SCB weit über das Ende ihrer einjährigen Amtszeit am 28. April 2021 hinaus gebüsst. Was der genialste Marketing-Coup in der neueren Geschichte unseres Hockeys war und dem SCB mediale Aufmerksamkeit bis hinüber nach Amerika und hinauf in den Polarkreis bescherte, hatte nach innen und aussen in der extrem männerdominierten Hockey-Welt verheerende Folgen. Nach dem Motto: Kurze Freude, lange Reue. Der SCB ist von der Konkurrenz vorübergehend nicht mehr ernst genommen worden. Aber niemand wagte es intern, eine Korrektur der absurdesten Personalentscheide anzumahnen. Erst verpflichtete die Sportchefin - die eigentlich gar nie eine Chance hatte (das sei auch gesagt) - den Operetten-Trainer Don Nachbaur, der bereits am Tag gehen musste, als der erste Schnee fiel, und in der darauffolgenden Saison kam Johan Lundskog als Trainer. Diesen Fehlentscheid teilten sich Sportchefin Florence Schelling und der neue Obersportchef Raeto Raffainer. Der fachlich tadellose Schwede, dem bereits vor der Anstellung eine vom SCB in Auftrag gegebene Analyse eines Personalbüros fehlende Führungsqualitäten bescheinigt hatte (das Papier ist dann auch noch von einem verantwortungslosen Journalisten publiziert worden), passte in fataler Weise zum Führungsstil des neuen Managers und Lüthi-Nachfol­gers Raeto Raffainer: Fachlich wohldosierte Ausreden, null Autorität in der Kabine und an der Bande und aus der Leistungskultur, die einmal die beste des Landes war, wurde eine Wohlfühl­oase. 

Lüthi ist wieder der Zampano

Möglich war diese Entwicklung, weil Marc Lüthi nach der Causa Florence Schelling im Sommer 2022 einem zweiten kapitalen Irrtum erlag: Er ging davon aus, dass es auch ohne ihn geht. Dass er sich in aller Ruhe auf die Position des Präsidenten zurückziehen und die Führung Raeto Raffainer, einem charismatischen, dynamischen und kommunikativ brillanten Jungmanager, überlassen kann. Er beförderte ihn vom Obersportchef zum SCB-Manager.

Der ehemalige Verbands-Sportdirektor, «Erfinder» von Nationaltrainer Patrick Fischer, Silberschmied bei der WM 2018 und erfolgreiche HCD-Erneuerer schien die perfekte Besetzung. Aber der Engadiner hat die SCB-Mentalität nie richtig verstanden. Zur SCB-DNA gehört der Grundsatz: «Lifere, nid lafere.» Das SCB-Publikum akzeptiert Krisen, allerdings nur, wenn sie nicht mit ewigen Ausreden verbunden sind. Der SCB ist aber, anders als der HCD mit seiner Gelddruckmaschine Spengler Cup (sie spuckt jährlich weit über zwei Millionen aus) und dem im Züribiet reich gewordenen Mäzen, auf sein Publikum angewiesen. Im Frühjahr 2022 riet Marc ­Lüthi seinem neuen Manager nach dem kläglichen Verpassen der Playoffs, den Verlierer Johan Lundskog zu feuern. Aber Raeto Raffainer ignorierte den weisen Ratschlag seines Dienstherrn. Das kostete ihn schliesslich den Job. Ganz nebenbei: Nach seiner Entlassung in Bern verpflichtete Mannheim, ein Titan der höchsten deutschen Liga, Johan Lundskog. Und setzte ihn nach wenigen Wochen vor die Tür.

Vor gut einem Jahr hat Marc Lüthi erkannt, dass es für ihn besser ist, wieder das Kommando zu übernehmen, statt sich in der VIP-Loge Woche für Woche zu ärgern. Er ist im Zorn aus dem Himmel der Präsidentschaft herabgestiegen, hat im April 2023 Raeto Raffainer gefeuert, und seither ist er wieder der grosse SCB-Zampano. Um wertvolle Erfahrungen reicher und noch besser. Inzwischen hat er die ganze sportliche Führung neu besetzt. Der SCB ist zu seinen Ursprüngen zurückgekehrt: Das Comeback von Marc Lü­thi hatte sofort stabilisierende Wirkung bis in die Kabine hinunter. Nun weiss wieder jeder, woran er ist. Ausreden gibt es nicht mehr, die Leistungskultur ist wiederhergestellt. Mit Jussi Tapola führt erstmals seit Kari Jalonen (Meister 2017 und 2019, Qualifikationssieger 2017, 2018 und 2019) wieder ein richtiger, international hoch geschätzter und erfolgreicher Trainer die Mannschaft. Ein grosser Klub wie der SCB braucht einen grossen Trainer.

Nominell ist die Mannschaft nicht entscheidend besser als in den letzten, sportlich verlorenen drei Jahren. Aber sie wird jetzt besser trainiert, geführt und gecoacht. Die Leitwölfe wie Tristan Scherwey, Simon Moser, Ramon Untersander oder Joël Vermin haben zwar ihre Zukunft hinter sich. Dafür haben eine ganze Reihe von hochtalentierten Spielern wie Benjamin Baumgartner, Yanick Sablatnig, Philip Wüthrich, Thierry Bader oder Marco Lehmann ihre besten Jahre vor sich. Nach der ersten Saison unter Trainer Jussi Tapola und unter dem Rückkehrer Marc Lüthi dürfen wir sagen: Am Ende dieser erfreulichen Entwicklung wird der nächste SCB-Titel stehen. Die nächste Saison wird der SCB als Titelanwärter beginnen und der nächste Meistertitel ist nur eine Frage der Zeit.

Klaus Zaugg ist Hockey-Experte und Sport-Kolumnist bei den Zeitungen der CH-Mediengruppe und watson.ch 


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