Isabelle Autissier lässt gleich zu Beginn ihres neuen Romans Venedig in den Fluten versinken. Sie zeichnet ein düsteres und gespenstisches Bild einer in Trümmern liegenden Stadt. Von den einst prachtvollen Palazzi sind nur noch Ruinen übrig.
Das Sperrwerk M.O.S.E. wurde gebaut, um die Stadt vor dem Meer zu schützen, doch die Technik versagt und die Fluttore funktionieren nicht wie erwartet. Die auf Pfählen im Schlick erbaute Stadt kann einer beispiellosen Sturmflut mit zerstörerischem Hochwasser nicht standhalten. Es kommt zur Katastrophe, die Wassermassen verschlingen die Stadt.
Durch die eindrückliche Sprache werden die Lesenden unmittelbar ins Geschehen hineingezogen. Das Ereignis wird aus Sicht eines Überlebenden und dessen Familie erzählt.
Guido Malegatti ist Stadtrat für Wirtschaftsentwicklung und möchte noch grössere Tourismusströme in die Stadt bringen. Er glaubt an die Macht der Technik und war von Anbeginn ein begeisterter Befürworter des Sturmflutsperrwerks. Léa, seine Tochter, vertritt eine andere Haltung zu den Auswirkungen von Massentourismus und Klimawandel.
Sie befürchtet, ihr geliebtes Venedig zu verlieren, und beteiligt sich an Demonstrationen. Um Venedig und das sensible Ökosystem der Lagune zu bewahren, schliesst sie sich zum Missfallen ihres Vaters mit Aktivistinnen und Aktivisten zusammen. Ein heftiger Vater-Tochter-Konflikt entbrennt. Der Haussegen bei den Malegattis hängt schief.
Gekonnt verwebt Isabelle Autissier im Roman aktuelle Themen und überzeugt mit ihrem Wissen rund um die Lagunenstadt. Ein fesselnder und durchaus beklemmender Roman, angesichts der aktuellen Hochwasser und Überschwemmungen in Europa.
Isabelle Autissier: «Acqua Alta», mare Verlag, 2024.
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