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Ein Museumsquartier im Wandel
Im Museumsquartier stehen grosse Veränderungen an. Die geplanten Bauprojekte der einzelnen Institutionen sollen im Dienste der gemeinsamen Dachmarke «Museumsquartier Bern»
stehen. Nach einer mehrjährigen Findungsphase präsentiert das «Museumsquartier Bern» die ersten grösseren Kooperationsprojekte, welche Synergien zwischen den Institutionen nutzen. Beat Hächler, Vorsitzender des Vorstandsausschusses, und Luc Mentha, Präsident des Vereins Museumsquartier Bern luden zum Mediengespräch.
Auf dem Helvetiaplatz sind noch die Kreidespuren der Demonstration für Julian Assange zu sehen. Es ist morgens um 08.30 Uhr, das Quartier schläft noch. Beat Hächler, Direktor des Alpinen Museums und seit 2024 Vorsitzender des Vorstandsausschusses des Museumsquartiers Bern und Luc Mentha, Präsident des Vereins Museumsquartier Bern, laden die Medienvertreter zum Einzelgespräch in den Kubus.
Vom Sitzungszimmer aus fällt der Blick aufs Münster. Wie man die Historie in die Zukunft trägt, ist die Kernfrage jedes Museums. In Bern sieht man die Antwort in der Vernetzung. Das Museumsquartier Bern ist die grösste Kulturplattform der Schweiz. 525 000 Ausstellungsbesuche verzeichneten die Museen im letzten Jahr, 100 000 mehr als im Vorjahr. Obwohl die einzelnen Museen ein starkes Profil aufweisen, ist Beat Hächler überzeugt: «1 + 1 = 3».
Unter der Dachmarke «Museumsquartier Bern» soll die Zusammenarbeit zwischen den elf partizipierenden Institutionen gestärkt werden, darunter auch das Gymnasium Kirchenfeld und das Forum Yehudi Menuhin. «Ziel ist es, einen gemeinsamen Sound zu schaffen», so Beat Hächler. Luc Mentha betont, dass die Institutionen dabei unabhängig bleiben: «Hinter dem Museumsquartier steckt keine ‹Hidden Agenda›, welche die Fusion der einzelnen Häuser zum Ziel hat». Viel mehr soll der Gesamtklang laut Hächler durch Kooperationsprojekte, das gemeinsame Marketing und den Museumsgarten als städtischen Raum erzeugt werden. Kreativküchen, sogenannte «Impulse», sollen Synergien nutzbar machen und die Bevölkerung miteinbeziehen. «Vor ungefähr 15 Jahren fand ein Paradigmenwechsel statt. Wir gestalten ein Museum nicht mehr fürs Publikum, sondern mit dem Publikum», so Hächler.
Zuerst reden, dann handeln
2019 liessen Kanton und Stadt Bern zusammen mit der Burgergemeinde eine Machbarkeitsstudie für das Projekt «Museumsquartier Bern» erarbeiten. 2021 wurde der Verein Museumsquartier Bern gegründet und die gemeinsame Vision in einem Positionspapier festgehalten.
Seither sind die elf Akteure in regelmässigem Austausch miteinander; Institutionen- und Kompetenzübergreifende Mittagsstammtische sorgten für Erfolgserlebnisse, eine niederschwellige Vereinsküche und das Museumsquartierfest luden die Anwohnerinnen und Anwohner dazu ein, miteinander in Kontakt zu treten. Der Zaun zwischen dem Historischen Museum und dem Museum für Kommunikation wurde eingerissen; Bevölkerung und Kulturschaffende gestalteten die temporäre Brache, aus der künftig der Museumsgarten entstehen soll, ein städtischer Raum mit Aufenthaltsqualität. In diesem Frühjahr wird hier ein Pop-up Museumsgäste und Quartierbewohnerinnen und -bewohner verwöhnen. Diese Aufbauphase soll bis Ende 2024 dauern.
Schrittweise werden nun Kooperationsprojekte realisiert. «Uns war es wichtig, zuerst eine Zusammenarbeitskultur zu entwickeln, bevor wir über die baulichen Massnahmen diskutieren», so Luc Mentha.
Vorhandene Ressourcen nutzen
Das Alpine Museum wird zusammen mit dem Historischen Museum diesen Oktober eine Ausstellung über Grönland eröffnen. Die Ausstellung soll die Ambivalenzen und widersprüchlichen Perspektiven zwischen Tourismusboom und Klimakrise aufzeigen und filmisch erlebbar machen, verknüpft mit Sammlungsobjekten des Historischen Museums, das sich mit Dekolonialisierungsfragen auseinandersetzt.
Der «Kultur-Hackathon» im Mai lädt 80 Teilnehmende aus der Bevölkerung und den Institutionen dazu ein, kreative Ideen für die Öffnung der Kulturinstitutionen zu entwickeln. Die Ergebnisse werden öffentlich präsentiert.
Geplant ist ausserdem ein Format, das die Depots der einzelnen Häuser zugänglich macht. Insgesamt lagern in den teilweise dezentralen Depots 10 Millionen Objekte.
Erarbeitet wird zurzeit auch eine Studie für die gastronomische Bewirtschaftung des Areals. «Dabei ist uns wichtig, die ansässigen Betriebe nicht zu konkurrieren», so Mentha.
Bauliche Massnahmen
Die grössten Herausforderungen des Museumquartiers bilden die anstehenden Sanierungen der einzelnen Häuser im Hinblick auf die gemeinsame «Corporate Identity».
Das Historische Museum muss gesamtsaniert werden. Das 130-jährige Gebäude soll ausserdem um einen Anbau erweitert und eine Öffnung hin zum Museumsgarten realisiert werden. Die Kosten wurden vom Stiftungsrat auf 120 Million veranschlagt und sollen von den Stiftungsträgern Kanton, Stadt und Burgergemeinde Bern zu je 40 Millionen Franken getragen werden. Der Baustart ist für 2027 geplant.
Die Sanierung der Schweizerischen Nationalbibliothek ist auf 2026 angelegt. «Im Fokus steht die Öffnung fürs Publikum», so Mentha. Die entstehenden Veranstaltungsräume sollen der gemeinsamen Nutzung dienen. Kostenpunkt der Sanierung gemäss «Baublatt»: 190 Millionen Franken.
Das denkmalgeschützte Alpine Museum erarbeitet zurzeit eine Nutzungsstudie. Auch hier steht eine Sanierung an, respektive ein Neubau zur Diskussion.
Auch das Museum für Kommunikation und das Naturhistorische Museum planen Ergänzungs- und Umbauten.
Nicht zuletzt soll eine bessere Signaletik die Besucherinnen und Besucher vom Helvetiaplatz aus direkt ins Musemsquartier führen.
Für die Gesamtsanierung des Areals rechnet das Museumsquartier Bern mit 250 Millionen Franken, wobei die einzelnen Bauprojekte individuell finanziert werden.
«Alle Bauprojekte laufen unter der Zielsetzung, einen Beitrag fürs Museumsquartier Bern zu leisten.» Zur Diskussion steht weiterhin ein gemeinsames Depot, aber die bisherigen Abklärungen zeigen: «Ein Tiefendepot im Museumsquartier ist deutlich teurer als ursprünglich angenommen, weil die Platzverhältnisse nur teure Tiefbauten zulassen. Wie es hier weitergeht, ist derzeit noch offen», so Mentha.
«Es ist die Entdeckung der Langsamkeit, die zum Ziel führt», meint er, den 1983 erschienen Roman von Sten Nadolny zitierend.
Und wann ist das Museumsquartier Bern «fertig»? «Im besten Fall nie», so Hächler. «Es soll eine Dynamik einziehen, in der man lebendig und offen bleibt und auf die Stärken der einzelnen Institutionen setzen kann.»
Über die baulichen Massnahmen werden die Institutionen im Detail informieren.
Museum für Kommunikation, Bern, 28. Februar, 18.00 bis 20.00 Uhr. Die Kitchen Talks laden Interessierte dazu ein, an geeigneten Marketing-Strategien für das Museumsquartier Bern mitzudenken. Demelzha Blinker (Leitung Marketing und Kommunikation im Depot Boijmans Van Beuningen in Rotterdam) gibt einen Einblick in die Kommunikationsstrategie des Depots.
Anmeldung unter: