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«Man muss sagen können, was man denkt, sonst wird man gewalttätig»

Seit 40 Jahren begeistert das Theater Narrenpack an der Kramgasse sein Publikum mit Eigenproduktionen aus der Feder von Piero Bettschen. ­Dabei übernehmen er und seine Mitstreiterinnen Jeannine Brechbühl und Corinne Vorburger alle künstlerischen und administrativen Aufgaben.

| Bettina Gugger | Kultur
Theater Narrenpack
Corinne Vorburger und Piero Bettschen nehmen in«Unsere kleinen Sehnsüchte» das Beziehungsverhalten von Paaren auf die Schippe. Foto: zvg

Die schwarze Stoffverkleidung des Altstadtkellers an der Kramgasse 30 atmet 40 Jahre Theatergeschichte irgendwo zwischen freier Szene und lustvoller, sich der Wahrheit verpflichtender Anar­chie. Das ist das Theater Narrenpack, wo Piero Bettschen, Jeannine Brechbühl und Corinne Vorburger jährlich bis zu 50 Vorstellungen vor ausverkauftem Haus spielen. Das sind bis zu 2000 Zuschauerinnen und Zuschauer im Jahr. Weil Bettschens Ungestüm auch im Umfeld der sich formierenden freien Szene der 1980er-Jahre ein bisschen zu ungezügelt war, musste ein eigenes Theater her. 

Seither schreibt er unermüdlich Stücke fürs Theater Narrenpack, seit fast 30 Jahren in der heutigen Konstellation. Mit seinen Produktionen will das Trio dem Publikum einen Spiegel vorhalten. Für Bettschen, dem es nie darum ging, Künstler zu sein, sondern sich auszudrücken, ist klar: «Man muss sagen können, was man denkt, sonst wird man gewalttätig.» Alle zwei Jahre kommt ein neues Stück auf die Bühne. Die Zwischenjahre bestreiten die drei mit Wiederaufnahmen, was ein finanzielles Risiko bedeutet, während neue Stücke meist ausverkauft sind. 

2020/2021 erhielt das Theater Narrenpack im Rahmen des Fördergefässes «Altstadtkredit» noch Förderbeiträge der Stadt Bern, die Jahre darauf ging es leer aus, obwohl die Kontinuität und der Publikumserfolg den Theaterschaffenden recht geben. «Das Problem! Wo liegt es denn …?», fragte das Trio letzten Herbst in einem Brief des Trägervereins, der seit 2021 dem Theater Narrenpack «ein bisschen» Planungssicherheit gibt. Damit das Theater Narrenpack auch in den Genuss des Altstadtkredits 2022/2023 hätte kommen können, hätte der Kulturkeller anderen kulturellen Akteurinnen und Akteuren zur Verfügung stehen und darin mindestens 90 Veranstaltungen stattfinden müssen, so Franziska Burkhardt, Leiterin Kultur Stadt Bern, über die formalen Kriterien des damaligen Förder­gefässes. Die jüngste Projekteingabe habe die Kulturkommission nicht zur Unterstützung empfohlen, da Informationen für die Beurteilung fehlten. Das werde nun mit der Gruppe besprochen und ein aktualisiertes Gesuch könne nochmals eingegeben werden, so Burkhardt. 

Mit minimalen finanziellen Mitteln realisiert das Dreierteam Bühnenbild, Musik und Lichtgestaltung und übernimmt auch alle anfallenden administrativen Aufgaben. Aktuell probt das Trio «Unsere kleinen Sehnsüchte», das es 2008 erstmals auf die Bühne brachte und seither 250-mal spielte. Es handelt von einer Dame mit Schottenrock und Nietengürtel im mittleren Alter (Corinne Vorburger), die nachts bei einem älteren Herrn (Piero Bettschen) einbricht. Die vermeintliche Einbrecherin kommt mit dem Herrn, dem sie nichts entwendete, sondern Geld und eine Notiz ins Portemonnaie hineinlegte, ins Gespräch. Der erschrockene Mieter schwankt zwischen Wut und Faszination, welche die Unbekannte auf ihn ausübt. Die beiden sprechen über ihre Sehnsüchte, ohne ihnen nachzugeben. Sie reflektieren über Paarbeziehungen – Bettschen schlüpft in die Rolle des Partners der Unbekannten, überzeichnet dessen Eifersucht, die jedoch im Kern Anlass so mancher Beziehungskonflikte sein dürfte, Emanzipation hin oder her. Auch die «knospenzertifizierten» Paare, die fehlenden Sex durch gemeinsamen Sport kompensieren, bekommen ihr Fett weg. Dabei haben Bettschens originelle Sprachkaskaden wenig an Aktualität verloren: Beziehungen bleiben komplex. Und wo ortet das Trio, das sich Gesellschaftskritik auf die Fahnen geschrieben hat, noch Tabus in unserer Gesellschaft? «Obwohl scheinbar alles gesagt werden darf, zeigt man heute öffentlich keine Emotionen mehr», meint Bettschen, der italienische Wurzeln hat. Wenn man im Gespräch mal lauter werde, sei das Gegenüber schnell irritiert. Und ja, Bettschen erhebt auf der Bühne öfters seine Stimme – ein Mittel, das im zeitgenössischen Theater sparsam eingesetzt wird. Nicht so im Theater Narrenpack. Das muss man schon aushalten. 

Theater Narrenpack, Bern, 16./22. und 23. März, jeweils 20.30 Uhr. Infos: narrenpack.ch


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