Es war wieder einmal ein Wochenende der spätsommerlichen Ballung, wo an allen Enden der Stadt ein Fest gefeiert werden muss und man als armer entscheidungsunfreudiger Tropf mit dem Velo hin- und herstrampelt, bis man nirgends richtig war.
Zum Glück hat’s geregnet und einen damit auf nur wenige Standorte verwiesen. Und zum Glück hat es uns zum Schluss noch an den einzig richtigen Ort verschlagen, nach Bümpliz nämlich, an die Bümplizer Chilbi, die wie jedes Jahr als grösste Chilbi im Kanton Bern stattfindet, mit Putschauto, Geisterbahn, Riesenrad, Schiessständen und Festzelt. Und darin spielt am frühen Sonntagabend vor einer von drei Tagen Fest aufgeweichten Menge niemand anderes als Müslüm: jener Typ mit pinkem Anzug und Monobraue, der seit vielen Jahren schon durch die Schweizer Mundartszene geistert und so ziemlich alles anders macht. Er steht nun also hier mit seiner grossen Band, wir an den Festbänken mit Kartoffelsalat und Bier und aufgeweicht wie alle andern, er feiert die Leute, organisiert auf die Schnelle einen Kinderchor, der laut mit ihm «Oh du guldigs Sünneli» singt (der Saal grölt fröhlichst mit), schafft es nach Eigenaussage vielleicht beinahe, den Rassismus abzuschaffen, und lässt das Publikum fröhlich schwofen.
Semih Yavsaner, wie Müslüm bürgerlich heisst, ist mehr noch als Musiker Entertainer, und es ist gleichermassen erstaunlich wie beeindruckend, wie er die doch sehr durchmischte Menge hier unterhalten kann: Jugendliche halten sich innig aneinander, Kinder tanzen auf den Bänken, volltätowierte ältere Frauen grölen «lane la bambala» und ein Typ klopft auf dem Hintern seiner Freundin die Takte von «Süpervitamin». Alle zusammen feiern Bümpliz, und draussen schiessen Leute jeden Schlags überdimensionierte Plüschtiere für ihre Liebsten. Müslüm spielt viel zu lange und es ist sogar egal, alle schwingen sich übermüdet und fröhlich in den Abend hinein, er verdankt die Organisator:innen und Helfenden. Wir bestellen noch eine Runde Churros und wünschten, es wäre immer so.
Alice Galizia schreibt über Musik, zum Beispiel im KSB Kulturmagazin und in der WOZ, und veranstaltet Konzerte, zum Beispiel im Café Kairo. Sie lebt in Bern.