Skip to main content

-


Anzeige

Anzeige


Ein Museum ohne Schwelle als Einstieg zur Kunst

Hoch hinaus weist das Projekt «Eiger» von Schmidlin Architekten für die Erweiterung des Kunstmuseums Bern. Fünf Jahre soll die Vorbereitung für das eigentliche Sanieren und Bauen dauern, das 2029 beginnen wird. Nach vier Jahren Bauzeit wird das KMB als «Museum der Zukunft» 2033 seine Türen öffnen. Doch da sind noch ein paar Fragen und Überlegungen.

| Christoph Reichenau | Kultur
So soll das neue Kunstmuseum dereinst aussehen. Visualisierung: Schmidlin Architekten
So soll das neue Kunstmuseum dereinst aussehen. Visualisierung: Schmidlin Architekten

Was ist ein «Museum der Zukunft»? Das künftige Museum? Ein Museum über die jeweilige Zukunft, ausgedrückt in Werken der Kunst? Vor zwanzig Jahren hoffte man auf ein Museum für Gegenwartskunst. Jetzt geht es irgendwie nicht um Gegenwart, sondern um Zukunft: Um Fortschritt, um Zuversicht, um alles, was kommen mag, um die Angst davor, um den Klimawandel, um Gerechtigkeit und Frieden? Was meint wirklich, wer die schlichte Sanierung von zwei Gebäuden und die Errichtung eines neuen Baus «Museum der Zukunft» nennt? Wissen die, was sie wollen? Ist nicht alles, was neu errichtet wird, ein Bau der Zukunft?

«Museum der Zukunft»

Das «Museum der Zukunft» soll, so urteilt der Architekturjournalist Benedikt Loderer aus Biel, «zum Objekt des Lokalstolzes werden», aber ja nicht Ausdruck des Provinzialismus. Automobilistisch gesprochen muss ein Bentley her, ein Fiat Panda wäre zu wenig. Oder auf Fussballerisch: Die «oberste Liga der europäischen Museen» wird angepeilt. Doch während im Fussball klar ist, dass man damit die Champions League meint, stellt uns dies bei Kunstmuseen vor Fragen: Geht es um den Louvre, den Prado, die Uffizien, die Museumsinsel Berlin, die National Gallery – oder eher um Gegenwartskunstmuseen wie die Tate Modern, Bilbao, Arles, das Louisiana Museum bei Kopenhagen? Reicht das neue Kunsthaus Zürich als Massstab? 

Museum wofür?

Nichts ist fassbar am Wort «oberste Liga». Denn wenn man diese auf museologische Standards der Sicherheit, der Klimatisierung, des sorgsamen Umgangs mit ausgeliehenen Kunstwerken beziehen würde, wären längst bestimmte Gemeinschaftsausstellungen – wie derzeit jene von Chaim Soutine – unmöglich gewesen; es gab und gibt sie indes. Wenn die Kriterien von Loderer nicht taugen, was hülfe denn? Zum Beispiel eine Dreigliederung wie in Düsseldorf: Alte Kunst, 20. Jahrhundert, Gegenwartskunst? Oder eine Ordnung, wie sie im Zusammenhang mit der Eröffnung des Zentrums Paul Klee und des Kubus-Ausstellungsraums im Bernischen Historischen Museum vorgeschlagen worden ist: Historische Kunst, klassische Moderne, Gegenwartskunst und Avantgarde? Doch dann müsste das KMB mit seinem Geschwister ZPK, dem BHM und der Kunsthalle zusammen vorwärtsschauen und auch eine örtliche Neugliederung vornehmen. Davon war bisher keine Rede, obwohl die Sanierung des BHM ansteht, das Museumsquartier zum Leben erweckt wird und bald beim ZPK Sanierungen nötig werden.

Beziehung zum ZPK

Überhaupt das ZPK. Dessen Südhügel, heute Ort der Forschung und der Administration, könnte für wenig Geld in einen prima Ausstellungsraum umgewandelt werden. Die dortigen Arbeitsplätze fänden Platz im Bau Hodlerstrasse 6. Für die Bevölkerung bietet das ZPK mit der Museumsstrasse bereits kostenlos gedeckten Raum und mit dem Gemeinschaftsgarten Anbau- und Betätigungsmöglichkeit für Viele auch ausserhalb des Quartiers. Weshalb wird eine solche Lösung nicht zumindest diskutiert und – vielleicht – mit öffentlich vorgebrachten guten Gründen verworfen?

Der Trakt des Ateliers 5

Kaum etwas zu vernehmen ist auch zum Abbruch des Museumstrakts des Ateliers 5 aus dem Jahr 1983. Ja, er soll nie geliebt worden sein, aber er war zur Zeit seiner Eröffnung europaweit bewundert für seine Konzentration auf die optimale Präsentation von Kunst: Die Farbe der Räume, deren bewegliche Unterteilung, die Führung des Lichts, die filigrane Treppe – das war neu und überzeugte. Kann sein, dass der Bau früh Mängel hatte und schlecht alterte. Doch weshalb ist der Stettlerbau von 1879 sozusagen heilig, der A-5-Trakt nicht? Und dies in einer Zeit, wo der Abbruch bestehender Bauten fachlich und politisch in Frage gestellt und wegen der Verschwendung grauer Energie weitgehend geächtet wird. Es wäre wichtig, zumindest die Gründe zu erfahren und nicht mit Schweigen abgespeist zu werden.

Wenig bekannt ist, wie das Projekt «Eiger» die Kante zum Aaretal beleben wird. Ob dadurch das KMB neu zwei begehbare Seiten erhält, jene zum Fluss und die bekannte hin zur Hodlerstrasse. 

Flaniermeile?

Die Hodlerstrasse soll gepflästert und mit Bäumen bepflanzt werden, wie man hört. Sie würde so zu einer Flaniermeile, die sich über den Waisenhaus- und Bärenplatz zum Bundesplatz hinzieht. Was gut tönt, ist womöglich eine Mogelpackung: Wo bleibt – gestalterische Verschönerung hin oder her – Raum zum Flanieren, wenn die Nutzung der Plätze so bleibt, wie sie ist? Und wenn nicht, wohin würden die heutigen Nutzungen verschoben?

Schon die teilweise und zeitweilige Sperrung der Hodlerstrasse vor dem KMB erscheint als ein fragwürdiger Kraftakt. Inwiefern nützt die Sperrung dem KMB? Wie weit stösst sie ohne Not das Gewerbe vor den Kopf, dessen Unterstützung das erweiterte KMB doch benötigt? Noch ist zum Glück das letzte Wort nicht gesprochen. Nur so viel: Eine Promenade wie die Plateforme 10 in Lausanne, die neben dem Bahnhof zu drei Museen abzweigt, kann es in Bern nicht geben. Es sei denn, man denke und lenke den gesamten Verkehr neu. 

Ein Narrativ

Benedikt Loderer schlägt ein sogenanntes Narrativ vor, eine Geschichte, um den bernischen Grossen Rat vom Nutzen des Erweiterungsprojekts zu überzeugen. Die Geschichte könnte so gehen: Wir haben in Bern ein gutes Kunstmuseum, das Zentrum Paul Klee und die Kunsthalle, die zusammen mit Sammlungen und langer Tradition einen tollen Kunstort bilden. Nun müssen vom Kunstmuseum der Stettlerbau und der Trakt des Ateliers 5 saniert werden, damit sie weiter zur Verfügung stehen. Die Sanierung beider Bauten kostet 75 Millionen. So viel muss der Kanton aufwenden, um das Museum funktionstüchtig zu erhalten. Mit jeder investierten Million mehr steigt der Funktionswert. Und so weiter und so fort. 

Und der Betrieb?

Doch der Funktionswert hängt nicht allein an der Investition. Er hängt mindestens so sehr an dem, was die Mitarbeitenden des KMB uns allen bieten. Uns allen, denn wir alle werden als Steuerzahlerinnen und Steuerzahler die Erweiterung mitberappen müssen. Unter uns gibt es Menschen, für die das KMB vertraut ist, aber auch solche, die den Zugang zur Kunst erst entdecken müssen. Gut deshalb, dass das KMB die Kunstvermittlung neu ins Zentrum rücken will, inhaltlich und baulich. Ob dafür ein Bentley einladender ist oder ein Fiat Panda, darf gefragt und bezweifelt werden. Kommt hinzu, dass Kunstvermittlung Fachleute benötigt, nicht nur Räume. Im Moment dreht sich die Diskussion um das Geld für die Investition. Spätestens ab 2033 wird wichtiger sein, ob das KMB genügend Personen aus seinem Budget bezahlen kann. Und ob der Eintritt endlich kostenlos wird. Die finanzielle Ausstattung des Betriebs wird dann die entscheidende Frage sein, ob es uns ernst ist mit dem «Museum der Zukunft», das im Grunde schlicht ein «Museum für alle» sein muss. Ein Museum ohne Geld-Schwelle als Einstieg zur Kunst. Diese Chancengleichheit ist wünschbar, wie immer das Museum aussieht.


Ihre Meinung interessiert uns!


Verwandte Artikel


Sanierung und Erweiterung des Kunstmuseums Bern: Ein «Eiger» aus Sandstein

Schmidlin Architekten haben den Architekturwettbewerb für Sanierung und Erweiterung des Kunstmuseums Bern gewonnen. Doch es gilt noch zahlreiche Hürden zu überwinden, damit sie das Projekt auch umsetzen können.

Kunstmuseum für alle oder Villa für wenige

Die Kosten für die Villa Morillon und das Kunstmuseum Bern verdeutlichen den Wandel des Kunstzugangs in den letzten 200 Jahren.