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Wohnraum für 800 Personen und ein paar Fledermäuse

Am Sonntag befindet die Stadt Bern über die Überbauungsordnung Wifag. Doch die Parkplatzfrage stellte für das Grossprojekt wohl die grössere Hürde dar als die Volksabstimmung. 

| Fabian Christl | Politik
Das Wifag-Areal soll überbaut werden. Foto: Nik Egger
Das Wifag-Areal soll überbaut werden. Foto: Nik Egger

Ein Wort taucht in der Debatte um die Weiterentwicklung des Wifag-Areals im Berner Nordquartier immer wieder auf: Vorzeigeprojekt. Und das bezogen auf verschiedene Ebenen: ökologisch, bezüglich Wohnungsmix, Einbindung ins Quartier und auch betreffend Entwicklungsprozess. Trotzdem wäre das Grossprojekt beinahe am links-grünen Stadtparlament gescheitert. 

Konkret sieht das Projekt der Mali International AG an der Wylerringstrasse rund 330 Wohnungen (80 Prozent der oberirdischen Geschossfläche) für schätzungsweise 800 Personen sowie quartierorientierte Gewerbenutzungen vor. Damit das Projekt realisiert werden kann, muss die Stadtberner Stimmbevölkerung allerdings am nächsten Sonntag der entsprechenden Überbauungsordnung zustimmen. 

Doch daran zweifelt niemand. Sämtliche Parteien mit Ausnahme der SVP unterstützen das Projekt. Und auch letztere verzichtet auf eine Kampagne. Die Nein-Parole sei eher als Zeichen des Protests gedacht, weil rot-grün mit rigiden Vorschriften verhindere, dass etwas Sinnvolles entstehen könne, sagt SVP-Fraktionschef Alexander Feuz auf Anfrage. «Wir sind der Meinung: lieber nicht überbauen, als dumm überbauen.» Er fürchte etwa, dass die Gewerbebetriebe wegen zu wenig Parkplätzen nicht rentabel betrieben werden könnten. 

Solarzellen und Nistplätze

In der Tat trägt das Projekt eine rot-grüne Handschrift. So sind nicht nur Solar- und Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach und teilweise an den Fassaden vorgesehen. Graue Energie soll zudem durch den Erhalt von bestehenden massiven Unterbauungen und einzelnen Gebäuden minimiert werden. Nicht nur energetisch, auch betreffend Ökologie soll die Siedlung vorbildlich werden. Vorgeschrieben ist, dass die Versiegelung des Aussenraums maximal 50 Prozent beträgt. Der wertvolle Baumbestand an der Wylerringstrasse bleibt erhalten, es gibt Neupflanzungen von mittelgrosskronigen Bäumen im Innenhof, was sehr kostenintensiv ist, weil dafür der bestehende Unterbau gezielt und aufwendig durchstanzt werden muss. 

Doch damit nicht genug: Geplant ist ein nachhaltiges integrales Regenwassermanagement mit vorgeschriebenen Retentionsvolumen auf den Dächern. Mindestens 20 Prozent der Fläche sollen als naturnahe Lebensräume ausgestaltet werden. Und an Fassaden müssen Nisthilfen für die Mauer- und Alpensegler und die Zwergfledermäuse angebracht werden. Die Autoparkplätze sind auf 190 beschränkt, ein Controlling soll verhindern, dass die maximal 570 Fahrten pro Tag überschritten werden. Zudem soll es mindestens 1400 Veloabstellplätze und einen Velo-Lift geben. 

Neben dem gesetzlich vorgeschriebenen Drittel an preisgünstigem Wohnraum soll ein weiteres Drittel der Wohnungen speziell für Familien konzipiert sein – ein Segment, bei dem der Wohnungsmangel besonders gross ist. Das letzte Drittel werden Eigentumswohnungen ausmachen. Dank mehreren öffentlich zugänglichen Plätzen und ­einer Spielfläche von mindestens 600 Quadratmetern soll das ganze Quartier von der neuen Überbauung profitieren.

Stapi: «Vielleicht beste Planung» 

Stadtpräsident Alec von Graffenried (GFL) ist entsprechend begeistert vom Projekt. Es sei vielleicht die beste Planung, die es bisher in der Stadt gegeben habe, sagte er bereits im Stadtparlament. Auf Anfrage führt er aus, dass die Bauherrschaft bereits von Anfang an offen auf das Quartier zugegangen sei und zahlreiche partizipative Workshops durchgeführt habe. Es habe zudem immer wieder Schritte für eine qualitative Aufwertung des Quartiers gegeben. «Sehr spannend» sei auch, wie alt und neu kombiniert werde. Er verspreche sich eine Siedlung mit «hohem Identifikationsfaktor». 

Doch wie sieht es die Bauherrschaft? Hätte sie das Projekt auch an die Hand genommen, wenn sie gewusst hätte, was für eine Fülle an Vorgaben auf sie zukommt? Schliesslich führen alle Auflagen dazu, dass der Grundstückanteil der Mali zu einem Minderwert von über 15 Millionen Franken führt, wie es im Vortrag des Gemeinderats heisst. 

«Auf jeden Fall» würde man es wieder machen, sagt Gesamtprojektleiter Martin Heiniger auf Anfrage. Viele der Auflagen ergäben durchaus Sinn, und viele der kritischen Punkte seien eingehend und konstruktiv mit den Vertretern und Vertreterinnen der Stadt diskutiert worden. «Die Eigentümerin wollte von Anfang an ein Leuchtturmprojekt realisieren.» Für sie sei das Wifag-Areal ein Herzensprojekt, welches in seiner Gesamtheit Vorbildcharakter haben und Bewohnerinnen und Bewohnern wie auch dem Quartier ein lebendiges, familienfreundliches und nachhaltiges Zuhause bieten solle. 

Mit Projektabbruch gedroht

Allerdings, in einem Punkt wurde es der Investorin dann doch zu viel. So sah die Vereinbarung mit den Stadtbehörden neben dem Fahrtenkontingent eine Beschränkung auf 210 Parkplätze vor. Die Kommissionsmehrheit wollte diese allerdings auf noch 152 Parkplätze weiter reduzieren. Die Investorin sah dadurch die Rentabilität gefährdet und drohte mit Abbruch des Projekts, sollte der Antrag durchkommen. Letztlich setzte sich im Stadtrat aber der von der Investorin unterbreitete Kompromissvorschlag von 190 Parkplätzen durch.

Stadtpräsident von Graffenried ist froh, dass der Stadtrat auf den Kompromissvorschlag eingelenkt ist. Nun hoffe er, dass die Zusammenarbeit weiterhin so gut laufe wie bisher und die Bauherrschaft ihre Offenheit und Innovationsbereitschaft behalte. Auf dass die Bauarbeiten wie geplant 2026 starten können. 

 

Abstimmungen in der Stadt Bern

 

Am Sonntag, 9. Juni, befindet das Stadtberner Stimmvolk nicht nur über die Überbauungsordnung für das Wifag-Areal, sondern noch über vier Kreditgeschäfte. 

Beim mit 176 Millionen Franken höchsten Kredit, der zur Debatte steht, handelt es sich um einen Rahmenkredit für die öffentliche Infrastruktur im Entwicklungsschwerpunkt Ausserholligen. Dort soll in den nächsten Jahren ein neues, urbanes Zentrum mit Arbeits-, Wohn-, Bildungs- und Freizeitangeboten entstehen. Mit dem Rahmenkredit sollen zahlreiche Infrastrukturprojekte finanziert werden, etwa um den Bereich unter dem Viadukt nutzbar zu machen. Das Stadtparlament stimmte dem Kredit mit 62 zu 6 Stimmen zu. Die Gegner monierten, dass die Kosten höher lägen als einst geplant.

Im Vergleich dazu überschaubare 16 Millionen Franken beantragt die Stadtregierung der Stimmbevölkerung für Sanierung und Umbau des «Kinderhaus Rossfeld». Im Gebäude der Kirchgemeinde Matthäus will die Stadt Platz für eine Tagesbetreuung für Schulkinder sowie für weitere Nutzungen bereitstellen. Das Haus hat die Stadt von der Kirchgemeinde im Baurecht erworben. Das Parlament stimmte dem Kredit ohne Gegenstimme zu. 

Einen Baukredit in der Höhe von 68 Millionen Franken beantragt der Gemeinderat für die Gesamtsanierung und Erweiterung des Schulhauses Stöckacker. Zur Schulanlage gehören vier Gebäude, die totalsaniert werden müssen. Um zusätzlichen Schulraum zu schaffen, will die Stadt zudem ein zusätzliches Gebäude erstellen. Künftig soll die Schule Raum für 19 Klassen bieten – elf mehr als bisher. Auch dieser Kredit war im Stadtrat nicht bestritten.

Schliesslich soll auf dem Gaswerkareal ein Schulraumprovisorium entstehen. Dieses soll zuerst der Volksschule Kirchenfeld, dann der Schule Sulgenbach als Ersatzstandort dienen. Die Stadtregierung beantragt dafür einen Baukredit in der Höhe von 23,4 Millionen Franken; das Stadtparlament genehmigte diesen ohne Gegenstimme.


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