Anzeige
«So viel wollen wir doch eigentlich gar nicht»
Der Schlierner Ortsverein wartet seit einem Jahrzehnt darauf, dass sein Zentrumsplatz saniert wird. Jetzt soll es wieder vorwärtsgehen.
Eigentlich wäre das Schlierner Zentrum gar nicht so weit weg. Und doch wirkt das Quartier sechs Busminuten vom Zentrum Köniz verschlafen. Vielleicht, weil so gut wie alle Geschäfte ihre Türen geschlossen haben; auch der Dorfbeck hat Anfang Juli zugemacht. Nur der Coop ist noch da. Auf dem löchrigen Kopfsteinpflaster des Platzes vor dem Geschäft steht eine kleine Kinder-Eisenbahn, daneben ist ein Himmel-und-Hölle-Feld auf den Boden gezeichnet und ein Mühlefeld ohne Steine. An diesem Montagvormittag ist der Platz so gut wie leer.
Am Wochenende sei es jeweils belebter, sagt Brigitte Rohrbach (SP), Präsidentin des Schlierner Ortsvereins. Aber Schliern werde immer mehr zum «Schlafdorf», zu einem Ort, an den man nur zum Schlafen zurückkehre. «Darum lohnt sich ein Geschäft hier vermutlich nicht mehr, wenn alle alles in Bern machen», sagt Rohrbach. Dagegen will sie vorgehen. Der Schlierner Zentrumsplatz soll saniert werden. Rohrbach hat Mitte Juni im Grossen Gemeinderat ein entsprechendes Postulat eingereicht. Es fordert vom Gemeinderat einen Plan für das Schlierner Zentrum.
Aufgeschoben, sistiert und abgeschrieben
Das Thema ist alles andere als neu. «Wir haben den Eindruck, dass Schliern in der Planung der Gemeinde seit Jahren einfach oft vergessen geht», sagt Heidi Eberhard. Sie sitzt für die FDP im Könizer Parlament. Mit einer Motion forderte sie bereits 2016 gemeinsam mit den Parlamentsmitgliedern aus Schliern eine gesamtheitliche Planung für das Schlierner Zentrum.
Schon 2013 hatte es erste Projektideen für das Zentrum gegeben. Mit dem Brand des Alten Schulhauses von 2014 und der anschliessenden Sanierung wurden die Pläne für eine umfassende Neugestaltung aktueller. Gleichzeitig zieht sich die Bearbeitung in die Länge. «Die damaligen Pläne sahen grössere Aus- und Umgestaltungen vor, als wir es gebraucht hätten», sagt Eberhard heute.
Nachvollziehbar also, dass der Gemeinderat 2020 wegen der Pandemie und der Könizer Finanzlage beschloss, 14 Projekte zu sistieren. Auch die Schlierner Zentrumsplanung. Gemäss Eberhard mit dem Versprechen, diese werde weiter bearbeitet: «Die Ressourcen für die Planung waren vorhanden, weil so Vieles nicht umgesetzt werden konnte.»
Doch es kam anders. Ein Jahr nach der Sistierung beantragte der Gemeinderat dem Parlament, die Motion abzuschreiben. Ein halbes Jahr darauf folgte ihm das Parlament. Der Gemeinderat begründete die Abschreibung damit, dass er Investitionen priorisieren müsse. Zudem habe er diverse Aufwertungen bereits vorgenommen, insbesondere rund um das Alte Schulhaus.
Das Alte Schulhaus wurde umfassend umgebaut und saniert. Heute stehe es für die Offene Kinder- und Jugendarbeit Köniz (juk) und die örtlichen Vereine zur Verfügung, schreibt die Gemeinde Köniz auf Anfrage. Auch die Bevölkerung habe die Gelegenheit, das Gebäude für Anlässe zu nutzen.
Damit geben sich Eberhard und Rohrbach nicht zufrieden. In das Alte Schulhaus sei zwar viel Geld investiert worden. Es liege aber mit seinen rund 50 Metern zu weit weg vom Zentrumsplatz, um diesen mitzubeleben. Ausserdem stehe es gleich an der Strasse. Der kleine Platz davor lade kaum zum Verweilen ein, sagt Rohrbach: «Ich sehe hier nie jemanden sitzen.»
Auf dem Zentrumsplatz soll es auch ohne solch grosse Investitionen gehen. Einen geebneten Boden, etwas bessere Entwässerung, vielleicht einen fallschützenden Belag: «So viel wollen wir doch gar nicht», sagt Rohrbach.
Kosten wird es trotzdem. Und Köniz ist nach wie vor nicht in Spendierlaune. Die Gemeinde investiert bereits stark in andere Gebiete. Ob Wabern, Liebefeld oder Niederwangen: Man erhalte den Eindruck, alle anderen Quartiere hätten Priorität, so die beiden.
Gemeinde hat bereits aufgewertet – reicht das?
Die Gemeinde Köniz schreibt auf Anfrage, sie habe in den vergangenen Jahren verschiedene Projekte in Schliern realisiert, auch neben der Sanierung des Schulhauses.
So habe man den Spielplatz beim Zentrumsplatz bereits aufgewertet. Es seien neue Sitzgelegenheiten geschaffen und Niveauunterschiede auf dem Vorplatz behoben worden. Der Platz habe zudem einen neuen Belag erhalten und einen Stromanschluss, welchen die Bevölkerung für Anlässe verwenden könne. Man halte auch die Strassen instand.
Ausserdem habe das Parlament einen Kredit für Infrastrukturmassnahmen für eine bessere Verkehrssicherheit rund um Schulen und Heime beschlossen. Im Rahmen dieses Kredits würden in Schliern in den nächsten Jahren drei Projekte umgesetzt.
Soll das Anliegen des Ortsvereins im Parlament Gehör finden, werden Rohrbach und Eberhard um die Kostenfrage nicht herumkommen. Gleichzeitig frage niemand nach dem Budget, wenn es um die Parkbelebung im Liebefeld gehe, sagt Heidi Eberhard. Mit seinen 4500 Einwohnerinnen und Einwohnern stehe Schliern zwischen den urbanen und den ländlichen Gebieten. «Das hier nennen sie unseren Park», sagt Rohrbach und zeigt auf drei blaue Bänke unter einer Handvoll Bäumen.
Die «Bänkli» sind ihr Stolz. Fünf Stück hat sie über den Ortsverein eingefordert. Heute sitzen die Leute dort, wenn samstags der Kollege mit dem Dreirad anfährt und ein kleines Bistro auf dem Platz aufbaut. Ein kleines bisschen mehr Leben, immerhin.
Ein ebener Boden allein wird den Platz noch nicht weiter beleben, das weiss auch Rohrbach. Sie sieht die Vereine in der Verantwortung. Diese koordiniert sie über den Ortsverein, organisiert Feste, Eiertütschen zu Ostern, Märkte und Konzerte auf dem kleinen Platz. «Diese Arbeit machen wir schon, wir brauchen nur eine etwas bessere Infrastruktur», so Rohrbach.
Dafür muss ihr Postulat erheblich erklärt werden. Der Gemeinderat hat nun Zeit, eine entsprechende Antwort zu formulieren. Ab Mitte Oktober kann das Parlament über die Schlierner Forderungen befinden – und das Spiel von 2018 wieder von vorne beginnen.