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Kein Exodus an Muriger Schulen

Wegen einer geplanten Umstrukturierung an den Schulen in der Gemeinde Muri liefen Lehrerinnen und Lehrer Sturm. Zu Massenkündigungen ist es aber nicht gekommen, wie aus Antworten des Gemeinderats auf einen parlamentarischen Vorstoss hervorgeht. 

| Fabian Christl | Politik
Nun ist vor dem Schulhaus Moos wieder Kindergeschrei zu vernehmen. Foto: Nik Egger
Nun ist vor dem Schulhaus Moos wieder Kindergeschrei zu vernehmen. Foto: Nik Egger

Montagmorgen, vor der Schule Moos in Gümligen (Muri bei Bern) ist Nervosität und Vorfreude festzustellen. Eltern verabschieden ihre Kinder, für die ein neuer Lebensabschnitt ansteht: Die Schulzeit. Bald werden sie von ihren Lehrpersonen begrüsst – und der Ernst des Lebens beginnt. 

Dass sie alle von einer Lehrperson in Empfang genommen werden, ist nicht selbstverständlich. Der Mangel an pädagogischem Lehrpersonal ist im Kanton Bern immens, speziell ausgeprägt ist er bei Speziallehrkräften für Integrative Förderung, Logopädie und Psychomotoriktherapie. Erst auf den letzten Drücker gelang es, sämtliche offene Stellen zu besetzen, wie der Kanton mitteilte. 

Grosser Unmut in Kollegien

Ein spezielles Augenmerk galt in diesem Jahr der Gemeinde Muri. Zwar sind die Muriger Schulen bei Lehrkräften beliebt, sind doch Problemfälle in der reichen Vorortsgemeinde rarer als andernorts. Allerdings machte sich in den letzten Jahren in den Kollegien der Schulen Moos und Seidenberg grosse Unruhe wegen der geplanten Stufenzusammenlegung breit. 

So ist vorgesehen, im Schulhaus Seidenberg per Schuljahr 2025/26 ein Oberstufenzentrum einzurichten. Im Schulhaus Moos sollen sämtliche Primarschülerinnen und -schüler unterkommen. Das ermöglicht die Einführung des modernen Modell 3a Manuel, welches etwa Realschülerinnen und -schülern erlaubt, gewisse Fächer gemeinsam mit der Sekundarstufe zu besuchen – und umgekehrt. 

Bei Lehrerinnen und Lehrern der beiden Schulen stiessen die Pläne aber auf Widerstand. Die Rede war von unterschiedlichen Schul-Kulturen und von einem funktionierenden System, das ohne Not geändert werde. Vor einem Jahr wandten sich zahlreiche Lehrpersonen der beiden betroffenen Schulhäuser sogar an die Medien. 

Nervosität in der Politik

Die Gemeindeparlamentarierinnen Gaby Grossen (Forum) und Hanna Beck (EVP) wollten es genau wissen: Sie reichten im Mai eine Interpellation mit der Frage ein, wie viele Lehrpersonen aufs neue Schuljahr 24/25 die Kündigung einreichten. 

Auslöser für die Interpellation sei die Massenkündigung von Lehrpersonen in Pieterlen BE gewesen, sagt Grossen auf Anfrage. «Auch weil wir wissen, dass es wegen der geplanten Stufenzusammenführung in Muri zu Unruhe in den Kollegien kam, wollten wir es genau wissen.»

Wie der Muriger Gemeinderat als Antwort auf die Interpellation schrieb, kündigten nur vier Lehrpersonen wegen der geplanten Stufenzusammenführung – es lässt sich also nur ein Bruchteil der insgesamt 39 Austritte von Lehrpersonen im Schuljahr 2023/2024 direkt auf die umstrittenen Pläne zurückführen. Die meisten Austritte gehen auf das reguläre Ende einer befristeten Anstellung zurück. Doch auch die Pensionierung, eine berufliche Neuorientierung oder persönliche Gründe wurden mehrfach angegeben. 

Selbst Lehrpersonen, die als Wortführer der Proteste im Frühling 2023 auftraten, kündigten letztlich nicht. Eine Person befindet sich in einem Sabbatical, eine andere wurde ordentlich pensioniert, wie die zuständige Gemeinderätin Christa Grubwinkler (FDP) auf Anfrage mitteilte. Generell habe sich die Situation in den Kollegien «stark beruhigt», sagte Grubwinkler weiter. Geholfen habe etwa die Anstellung eines Leiters Bildung. Die neugeschaffene Stelle fungiere als Bindeglied zwischen Politik und Verwaltung. Die Zusammenarbeit zwischen dem Leiter Bildung, den beiden Schulleitungen und ihr laufe sehr gut. «Wir haben ausserdem viel Energie aufgewendet, um die Lehrpersonen mit ins Boot zu holen.» So führte die Gemeinde etwa mehrere Workshops mit Lehrpersonen der beiden Schulhäuser, die von der Stufenzusammenführung betroffen sind, durch. 

Auch weitere Teambildungsmassnahmen sind vorgesehen. So sollen etwa die Lehrpersonen mit externer Hilfe einen gemeinsamen Song aufnehmen. Die Initiative dazu sei von den Schulleitungen beider Schulen erfolgt, heisst es bei der Gemeinde. Weder Daniela Hildbrand, Schulleiterin Moos, noch Andy Marchand, Schulleiter Seidenberg, waren bereit, zur Stimmungslage an ihren Schulen öffentlich Auskunft zu erteilen. Sie verwiesen auf interne Kommunikationsrichtlinien.

Mangel an Spezialkräften

Parlamentarierin Grossen zeigt sich von der gemeinderätlichen Antwort auf ihre Interpellation beruhigt. «Es gibt zwar auch in Muri-Gümligen einen Lehrpersonenmangel, aber er bewegt sich im Rahmen, wie er im Kanton Bern üblich ist.» 

Beunruhigend findet Grossen aber, dass viele Lehrkräfte für den Spezialunterricht nicht über die nötige Ausbildung verfügen. Laut der Antwort auf die Interpellation haben von den 35 Lehrkräften für den Spezialunterricht  in der Gemeinde nur 20 die nötige Ausbildung. Grossen, die sich als Dozentin an der PH Bern auch beruflich mit Bildungsfragen beschäftigt, macht dafür aber nicht die Gemeinde verantwortlich: «Es handelt sich um ein Problem, das in der ganzen Deutschschweiz auftritt», sagt sie.

Auch Gemeinderätin Grubwinkler hätte lieber, wenn sich auch für den Spezialunterricht genügend Lehrpersonen mit den nötigen Abschlüssen finden liessen. Sie betont aber, dass es sich bei allen um ausgebildete Pädagogen handle. Der Mangel sei eine Folge der integrativen Schule, welche den Bedarf zum Explodieren gebracht habe. «Vielleicht sollte der Kanton analysieren, ob es bei der integrativen Schule Optimierungsbedarf gibt», sagt die Politikerin.  

Schulraum für alle

Weniger Probleme als etwa in der Stadt Bern bereitet der Agglomerationsgemeinde die Bereitstellung von genügend Schulraum. Zwar rechne man bis 2032 mit steigenden Schülerzahlen, «aber das können wir managen», sagt Grubwinkler. An die Grenzen stosse man aber beim in Muri speziell hohen Andrang auf die Tagesschule. Dank zusätzlichen Standorten am Turbenweg und am Rainweg liesse sich aber auch das lösen. 

Ob sich die Situation mit dem Mangel an Lehrkräften künftig entschärft, wird sich weisen müssen. Der Kanton Bern versucht mit höheren Löhnen für Klassenlehrpersonen (plus 300 Franken pro Monat) sowie evtl. mit einer Lohnerhöhung für Schulleitungen den Beruf attraktiver zu machen. 

Grubwinkler und Grossen haben allerdings Zweifel, ob das reicht. Es sei sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung, sagen beide. «Wichtig aber wäre, dass die Anerkennung des Lehrberufs in der gesamten Gesellschaft steigt», so Grossen. 


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