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Seit zwanzig Jahren begleite ich die Versuche baulicher Erneuerung und Erweiterung des Kunstmuseums Bern (KMB). Nun hat eine grosse Jury, umfassend besetzt, sorgfältige Arbeit geleistet. Das zur Weiterbearbeitung empfohlene Projekt «Eiger» überzeugt auf den ersten Blick rundum. «Auf den ersten Blick» soll keine billige Relativierung sein. Doch wenn man an einer Medienkonferenz einen Bericht mit 120 Seiten und zahlreiche wohlvorbereitete Referate vorgesetzt bekommt und abschliessend eilig durch eine eng mit Schrifttafeln bestückte Ausstellung streift – wie soll man sich auf die Schnelle ein zutreffendes Bild machen von dem, was die Fachleute und Profis in ihren Bereichen während zwei Jahren erwogen haben?
Also: «Eiger» kann ich nachvollziehen. Das Projekt hält respektvoll Distanz zum Stettlerbau. Es schafft einen kleinen Museumsplatz vor dem neuen Eingang. Es öffnet das Museum für Leute, die vielleicht nur einen Moment der Stille und Geborgenheit suchen. Es erschliesst den Hang des Aaretals mit einer neuen Terrasse. Es trumpft nicht auf. Und es geht listig mit der verordneten Verwendung von Sandstein um.
In der Visualisierung wirkt die neue Fassade nicht sandsteinig. Ja, weniger als die Metallhaut des Mobiliar-Gebäudes an der Bundesgasse. Eher wie das Giebelfeld am Parlamentsgebäude, das Renée Levi mit dem Werk «Tilo» aus 246 ungleich geschnittenen Dreiecken vollendet hat. Lebendig wirkt es, nicht statisch. Ob dies das Verdienst der Denkmalpflege ist oder der listige Versuch, deren Diktat zu unterlaufen, ist egal. Es macht neugierig.
Positiv wirkt auch, dass der Stiftungsrat mit offenen Karten spielt. Transparent wird gesagt, was noch unklar ist. Klar wird, dass weiterhin der Dialog mit allen nötig ist, um ans Ziel zu kommen. Die Präsentation des Siegerprojekts ist ein Etappenerfolg, noch kein Sieg. Doch noch nie war das KMB dem Ziel näher, scheint mir, als jetzt. Auch wenn es noch neun Jahre dauert, neun anspruchsvolle Jahre.
Schade nur, dass der Trakt des Ateliers 5 sang- und klanglos geopfert wird oder geopfert werden muss. Es war zu seiner Zeit 1983 ein kühnes, einzig der Kunst gewidmetes Werk, das technische Mängel haben mochte. Der Trakt war mit seiner Flexibilität, der Farbgebung, der Lichtführung, der zentralen filigranen Treppe ein zeitgemässer Bau, der sich innen erschloss. Man sagt, er sei nie wirklich angenommen worden. Ich werde ihn vermissen.
Und offen bleibt, ob das Kunststück gelingt, das Kunstmuseum, an der Aussengrenze der Stadt in schattiger Hanglage gelegen, wirklich in das lebendige Zentrum zu holen. Schön wäre es. Doch wirken die Versuche mit der Hodlerstrasse und der Metro-Ausfahrt nicht überzeugend. Zum Glück bleibt noch etwas Zeit, um zu lernen.
Viel Zeit ist es nicht. Wenn es gelingen soll, muss es jetzt sein. Es dauert ja auch so noch neun Jahre.