Anzeige
Kolumnist Rudolf Joder: Das Parlament muss mehr und besser kontrollieren
Die Kontrollfunktion werde vom Parlament zu wenig wahrgenommen, schreibt «Anzeiger»-Kolumnist Rudolf Joder. Davon zeugten zahlreiche Beispiele, vom Postauto-Skandal bis zur Übernahme der CS durch die UBS. Ein Zusammenschluss der Geschäftsprüfungskommissionen der beiden Räte wäre laut Joder ein Schritt in die richtige Richtung.
Neben der Gesetzgebung ist die parlamentarische Kontrolle die wichtigste Daueraufgabe von National- und Ständerat. Die Aufsichtsfunktion des Parlaments ist in der Verfassung verankert. Gemäss Art.169 BV übt die Bundesversammlung die Oberaufsicht aus über den Bundesrat und die Verwaltung, die eidgenössischen Gerichte und die anderen Träger von Aufgaben des Bundes wie zum Beispiel die Post und die SBB. Ziel der parlamentarischen Aufsicht ist es, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Verwaltungstätigkeit zu fördern, Transparenz zu schaffen, Mängel zu beseitigen und künftige Fehler und Schäden zu verhindern. Zentrale Organe für die Durchführung der Oberaufsicht sind die Geschäfts- prüfungskommissionen von National- und Ständerat.
Leider wird im Bundeshaus die parlamentarische Kontrolle ungenügend wahrgenommen und vollzogen. Sie ist häufig ineffizient und oft wirkungslos. Das Parlament vermag nicht zu erkennen, welche Bedeutung die Oberaufsicht in staatspolitischer, finanzieller, rechtlicher und organisatorischer Hinsicht hat. Dazu einige aktuelle Beispiele.
Nach dem Postauto-Skandal wurden praktisch keine Verbesserungsmassnahmen eingeleitet. Die Resultate der hängigen Inspektion der PUK zum Credit-Suisse-Debakel kommen viel zu spät, weil in der Zwischenzeit die UBS die Entlassung von 18 000 Mitarbeitenden angekündigt hat. Für eine Untersuchung der fehlerhaften Beschaffung von über 60 Dosto-Schüttelzügen durch die SBB interessiert sich die Bundesversammlung nicht ernsthaft und ein weiteres finanzielles Fass ohne Boden durch Flickarbeiten wird nicht verhindert. Unverändert wird im National- und Ständerat die Geschäftsprüfung als zweitrangig eingestuft. Dies im Gegensatz zu den tatsächlichen Interessen der Bevölkerung. Es ist offensichtlich, dass Handlungsbedarf besteht.
Ein wichtiges Problem ist die viel zu lange Dauer der GPK-Untersuchungen. Das Milizparlament benötigt dringend mehr Unterstützung. Deshalb ist das Sekretariat der Geschäftsprüfungskommissionen personell, organisatorisch und strukturell massiv auszubauen. Die ursprünglich als wichtiges Hilfsorgan geschaffene parlamentarische Verwaltungskontrolle PVK ist markant zu erweitern, damit inskünftig die Inspektionen und Evaluationen professioneller, mit umfassender Sachkunde und wirkungsvoller durchgeführt werden können. Ebenfalls dringend ist eine generelle Effizienzsteigerung. Zu diesem Zwecke sind die GPK von National- und Ständerat zu einer einzigen Aufsichtskommission zusammenzuschliessen.
Zentral ist die Erkenntnis, dass eine wirkungsvolle parlamentarische Tätigkeit vor allem aus intensiver Detailarbeit, Recherchen und aufwendigem Studium der Dossiers im Hinterzimmer besteht. Nur so kann die Bundesversammlung ihrem Verfassungsauftrag der Oberaufsicht gerecht werden. Der Zeitpunkt dafür ist gekommen.
Zur Person: Rudolf Joder ist Dr. jur. Fürsprecher und präsidiert den Schweizerischen Verband für Seniorenfragen. Er war Nationalrat, Grossrat, Präsident der SVP Kanton Bern und Gemeindepräsident von Belp.