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Sie übernehmen, wenn die Post abbaut

Wenn die Post Filialen schliesst, springen oft Quartier- und Dorfläden ein. Wie attraktiv ist es, neben dem Kerngeschäft eine Postagentur zu führen?

| Anina Bundi | Wirtschaft
Der Quartierladen Lola führt auch eine Postagentur. Foto: Nik Egger
Der Quartierladen Lola führt auch eine Postagentur. Foto: Nik Egger

Wenn in den nächsten vier Jahren schweizweit 170 Poststellen schliessen, so wie das die Post vor Kurzem angekündigt hat, wird in vielen Dörfern und Quartieren die Suche nach einer Ersatzlösung losgehen. Im schlimmsten Fall steht den Leuten am Ende nur noch ein «Hausservice» zur Verfügung, können sie einzelne Geschäfte direkt an der Haustür beim Postzusteller oder der Postzustellerin erledigen und müssen ansonsten zu einer entfernten Postfiliale fahren. Im besseren Fall findet sich ein lokales Geschäft, das bereit ist, eine Postagentur, oder eine «Filiale mit Partner», wie die Post sie auch nennt, zu betreiben. Deren Zahl steigt seit der Einführung 2005 kontinuierlich. Gab es 2008 erst 186 externe Postagenturen schweizweit, hatte die Post 2016 schon 849 unter Vertrag, Ende 2023 waren es 1237. Die klassischen Poststellen reduzierten sich in dieser Zeit von 2200 auf 769.

Für die Post ist das Modell interessant. Sie muss keine Miete zahlen und keine Leute anstellen, die dann wegen ständig sinkenden Kundenfrequenzen nicht ausgelastet sind, und sorgt trotzdem für den Service Public, zu dem sie verpflichtet ist. Zwar zahlt sie den Agenturen eine Entschädigung, das kommt aber massiv günstiger als das Betreiben einer eigenen Filiale.

Mehr Geld nach Protesten

Doch wie interessant ist eine Postagentur für die Läden, die sie betreiben? Grundsätzlich: für alle gleich. Die Post zahlt die Partner nach einem vorgegebenen Abgeltungssystem. Das heisst, sie bekommen für jeden Brief und jedes Päckli, das über ihre Theke geht, und für jede Einzahlung, die sie verbuchen, eine Entschädigung. Diese ist für alle gleich. Dazu bekommt jede Postagentur eine fixe Entschädigung. Sie wird zwischen den Betreibern und der Post ausgehandelt und richtet sich auch nach den Gegebenheiten vor Ort. Nach Protesten der Partnerbetriebe wurden die Entschädigungen auf Anfang dieses Jahres neu organisiert und indirekt erstmals erhöht, die konkreten Beträge sind allerdings geheim. 

Um den Einzelbetrieben in diesen Verhandlungen den Rücken zu stärken, bildete sich 2017 der Postagenturverband. Präsidiert wurde er von Felix Bischofberger, der heute die Geschäftsstelle des Verbands leitet. Bischofberger führt im sankt-gallischen Altenrhein einen Dienstleistungsbetrieb, in dem seit 2014 auch eine Postagentur ­integriert ist. Rund 70 Postagenturen haben sich mittlerweile dem Verband angeschlossen. Nicht beim Postagenturverband dabei sind die grossen Anbieter wie Volg oder die Migros-Franchise Voi. 

Matchentscheidend sei die Kundenfrequenz, sagt Bischofberger. Werde die Postagentur gut genutzt, stimme auch die Entschädigung der Post. Wichtig sei auch, wie sich der Postbetrieb in die täglichen Abläufe einfüge. Müssten etwa in einem Laden aus betrieblichen Gründen so oder so zwei Leute anwesend sein, könne die Postagentur helfen, für eine bessere Auslastung zu sorgen. Ideal wäre, wenn Post- und Ladenkunden zu jeweils verschiedenen Zeiten kämen. Das sei aber meistens nicht der Fall, weshalb dann die einen oder die anderen warten müssten. Die meisten Agenturbetreiber seien jedoch mit Herzblut dabei, vermutet Bischofberger. «Wenn alles aufgeht, ist es eine gute Sache.»

«Aufwendiger als gedacht»

Einer dieser Einzelbetriebe ist der Bioladen Lola der Stiftung Contact im Berner Lorrainequartier. Er übernahm die Agentur von der Buchhandlung Sinwel, deren Besitzer Daniel Stehelin nach einigen Jahren Zusammenarbeit mit der Post den Bettel hingeschmissen hatte. «Der Aufwand war viel zu gross und der Ertrag für uns zu klein», sagte er damals zur Zeitung «20 Minuten». Der Postbetrieb habe mehr Leute in den Laden gebracht als erwartet, und entsprechend auch Unruhe ins stille Buchgeschäft. Mehr Bücher verkauft habe er deshalb aber nicht. 

Lola-Betriebsleiter Daniel König kann den Frust nachvollziehen. Auch mit den neuen Verträgen sei die Entschädigung «bescheiden», sagt er zum «Anzeiger». Das liege auch daran, dass das Postgeschäft aufwendiger und komplizierter sei, als er anfangs gedacht habe. Ausserdem brauche es viel Lagerraum. Manche Pakete würden erst nach mehreren Wochen abgeholt und stünden bis dann im Keller. Geht die Rechnung unter dem Strich auf? König antwortet zögerlich. «Wenn es rentieren würde, dann würde es die Post wohl selbst machen», gibt er zu bedenken. «Wir machen das auch fürs Quartier und um im Rahmen der Arbeitsintegration zusätzliche Beschäftigungsmöglichkeiten anzubieten.» Und er hat auch Positives zu berichten. Die Zusammenarbeit mit der Post im Tagesgeschäft, etwa der Support bei technischen Problemen, funktioniere sehr gut.

Grosse Partner sind zufrieden

Weniger kritisch tönt es bei den grossen Partnern. Die Migros-Franchise Voi zum Beispiel betreibt im Kanton Bern elf Postagenturen. Es sei eine erfolgreiche Partnerschaft, schreibt eine Migros-Mediensprecherin auf Anfrage. Einige Voi-Filialen, etwa jene im Spiegel-Quartier, seien bereits seit zehn Jahren eine Postagentur.

Ein weiterer grosser Partner der Post ist Volg. Im Kanton Bern gibt es 48 Volgläden, die eine Postagentur führen, schweizweit sind es gar 421. Deren Erfahrung zeige, dass eine Postagentur im Dorfladen in der Regel zu einer ­grösseren Kundenfrequenz führe, schreibt das Unternehmen auf Anfrage. Diese könne, neben vielen anderen Aspekten, einen Beitrag leisten zur Existenzsicherung der Läden. Das Fazit von Volg: «Die langjährige Zusammenarbeit mit der Post bewährt sich sehr gut.»

Um die Zufriedenheit ihrer Partner zu erfassen, macht die Post regelmässig Umfragen. Die letzte von Ende letzten Jahres habe eine durchschnittliche Zufriedenheit von 85 Prozent ergeben, sagt Post-Mediensprecherin Silvana Grellmann. Besonders geschätzt werde die Betreuung durch die zugewiesene Poststelle. «Das Modell hat sich bewährt». In den meisten Fällen würden auch rasch Nachfolgelösungen gefunden, wenn ein Partner sein Geschäft aufgebe.

Auch die Kunden und Kundinnen sind demnach mehrheitlich zufrieden mit den Postagenturen. Positiv sind allem voran die Öffnungszeiten, die meist länger sind als bei klassischen Poststellen – die sie in den letzten Jahren vielerorts verkürzt haben. Praktisch ist auch, dass man Postgeschäfte mit dem Einkauf verbinden kann. Ärgerlich kann sein, dass nicht alles möglich ist. So sind Einzahlungen in Postagenturen nur bargeldlos erlaubt, vor allem aus Sicherheitsgründen und wegen Vorgaben gegen Geldwäscherei. Bargeldbezüge sind zwar bis 500 Franken möglich, aber nur, wenn es die Kasse des Partners hergibt. Nicht alle können diesen Service bieten, garantiert sind 50 Franken. 


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