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Ich bin eine «Cooplerin»

Der digitale Personalverleih Coople revolutioniert gerade im Stillen den Schweizer Arbeitsmarkt. Die Gewerkschaften beäugen die Entwicklung skeptisch. Für die freie Journalistin Lara Mina Christ ist es aber sehr praktisch.

| Lara Mina Christ | Wirtschaft
Bei Auftragsdellen hilft Coople. Symbolbild: Pixabay
Bei Auftragsdellen hilft Coople. Symbolbild: Pixabay

Ich arbeite als freie Journalistin – für den «Anzeiger Region Bern», aber auch für andere Medien. Ganz ausgelastet bin ich dadurch nicht. Wenn ich für ein paar Tage keine Aufträge habe, leiste ich manchmal Einsätze über den digitalen Arbeitsvermittler Coople. Zuletzt füllte ich etwa die Regale im neuen «Alnatura Bio Super Markt» an der Aarbergergasse auf.

So wie ich machen es viele. Mittlerweile sind laut Coople rund 700 000 Stellensuchende auf der Plattform registriert, was rund 13 Prozent der erwerbstätigen Schweizer Bevölkerung entspricht. Jeden Monat kämen 10 000 dazu, sagt Sabina Neuhaus, Mediensprecherin von Coople, auf Anfrage. Vor allem seit der Coronapandemie boomt das Geschäft. Mit anderen Worten: Das Zürcher Unternehmen erobert gerade im Stillen den Schweizer Arbeitsmarkt.

Doch wer sind all diese Leute, die über Coople eine kurzzeitige Beschäftigung suchen? «Unter den Cooplern gibt es von Studenten bis Pensionierte alles Mögliche», so Neuhaus. Selbst stiess ich bei meinen Arbeitseinsätzen auf Mütter, Freischaffende, Arbeitslose, Berufseinsteiger bis hin zu ambitionierten Pensionierten.

Sie alle dürfte nicht zuletzt die Benutzerfreundlichkeit der Plattform gelockt haben. Ich musste lediglich meine Bewerbungsunterlagen hochladen und meinen Tätigkeitsbereich aussuchen. Die Einsatzgebiete reichen von Events, Gesundheit, Detailhandel, Bürojobs bis hin zu Gastronomie, Hotellerie oder Logistik. Coople prüft die Unterlagen und erstellt anschliessend ein Jobprofil. Sobald die Prüfung abgeschlossen war, hagelte es Jobangebote bzw. Aufforderungen, mich auf offene Jobs zu bewerben. Spricht mich eine Ausschreibung an, bewerbe ich mich mit einem Klick und erhalte innert weniger Stunden eine Antwort. In meinem Fall: «Herzlichen Glückwunsch, du bist eingestellt.» Per E-Mail erhalte ich einen Einsatzvertrag mit genauer Einsatzadresse, Stundenlohn, Ansprech­partner und wichtigen Informationen wie Arbeitskleidung oder Verpflegung.

Rein digitaler Stellenvermittler

Im Gegensatz zu anderen Personaldienstleistern funktioniert Coople rein digital. Bewerbungsgespräche finden keine statt. Dafür können Angestellte und Betriebe sich nach dem Arbeitseinsatz gegenseitig bewerten und favorisieren. Die Digitalisierung eröffne neue Dimensionen in Bezug auf Geschwindigkeit, Qualität, Transparenz und Reichweite, der Einsatz modernster Technologien könne talentierte Arbeitskräfte schneller finden, verleihen und vermitteln, sagt Neuhaus von ­Coople. «Dies ist besonders in Zeiten des Fachkräftemangels entscheidend.»

Bei Unternehmen kommt das gut an. Bereits nutzen in der Schweiz laut Coople 25 000 Unternehmen die Plattform. Der Migros-Ableger Alnatura arbeitet bereits seit 2019 mit Coople zusammen. Gerade für Eröffnungsvorbereitungen sei die Unterstützung externer Coopler besonders wichtig gewesen, um den kurzfristigen Mehraufwand zu bewältigen, sagt «Bio Super Markt»-Mediensprecherin Annabel Ott auf Anfrage.

Gewerkschaften üben Kritik

Doch nicht alle sind begeistert von der Plattform. Gewerkschaften kritisieren die Entwicklung von festen Arbeitsstellen hin zu prekären Arbeitsverhältnissen seit Langem. Coople ist nach dieser Wahrnehmung nicht nur Effekt, sondern auch Treiber des umstrittenen Trends, dass Unternehmen vermehrt neben einem relativ kleinen Kernteam an fixen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf einen wachsenden Anteil an flexibel einsetzbarem Personal setzen, um Belastungsspitzen risikoarm zu bewältigen.

Auch der Bund sieht diese Entwicklung zwiespältig. Er befürchtet, dass atypische Arbeitsformen wie die Arbeit auf Abruf, befristete Arbeitsverhältnisse, Mehrfachbeschäftigung oder Soloselbstständigkeit zunehmen und der Personalverleih «normale» Anstellungsverhältnisse verdrängt, wie der Bundesrat in einem Bericht über den ­Strukturwandel unserer Volkswirtschaft schrieb.
Bei Coople sieht man das aber naturgemäss anders. Man trage dazu bei, die Flexibilität und Effizienz der Personalbeschaffung zu verbessern, ohne die Bedeutung der Festanstellung zu schmälern, sagt Neuhaus. Die Mediensprecherin verweist ausserdem auf den Gesamtarbeitsvertrag, dem die Leute unterstellt sind. Dieser beinhalte einen Mindestlohn sowie Sozialversicherungsbeiträge ab der ersten Arbeitsstunde. Zudem erhielten temporäre Arbeitnehmende bei Coople bereits ab 88 geleisteten Einsatzstunden Anrecht auf 500 Franken für Weiterbildungen.

Expansion nach Europa

Klar ist: Die Nachfrage nach Coople ist vorhanden – nicht nur in der Schweiz. Bereits 2016 expandierte das Unternehmen nach Grossbritannien, 2022 kam ein Büro in Polen dazu. Nach eigenen Angaben hat Coople in Europa bereits über eine Million registrierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie rund 30 000 Einsatzbetriebe. Damit sei es Europas grösste digitale Plattform im Bereich Personalverleih, schreibt Coople auf der Unternehmenswebsite.

Ich selbst bin bis jetzt sehr zufrieden mit den Möglichkeiten, die mir Coople bietet. Als freiberufliche Journalistin kann ich nicht nur Auftrags­dellen rasch und unbürokratisch überbrücken, ich erhalte auch Eindrücke aus verschiedenen Arbeitswelten. Natürlich hoffe ich aber auch, dereinst eine Festanstellung zu finden – und nicht mehr auf Coople angewiesen zu sein.


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