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Angriff auf die Träume: Vom Hämmern, Schweissen und Nageln
Am Wochenende gastiert in der Grossen Halle der Reitschule Bern das Bühne Aarau Ensemble mit dem Theaterprojekt «Baustelle», das sich dem Berufsalltag auf dem Bau widmet.
Der Raum ist stockdunkel, ein Scheinwerfer wirft allmählich Licht auf die Umrisse der Umgebung; eine Gestalt sitzt auf einer Rampe, im Hintergrund liegt eine Leiter. Dunkle Klänge eines Blasinstrumentes setzen ein, unter helleren Klaviertönen öffnet sich in einer anderen Ecke des Raumes die Tür eines Dixiklos, ein Mann tritt heraus und beginnt zu erzählen: «Früher in der Leere, manche nennen es auch Lehre, sind mir auf dem Bau ziemlich viele ziemlich blöd vorgekommen …».
Für drei Tage gastiert in der Grossen Halle der Reitschule Bern das Bühne Aarau Ensemble mit dem Theaterprojekt «Baustelle», das letzten Frühling Premiere feierte – in der Alten Reithalle Aarau. Acht Männer erzählen von ihrem Berufsalltag auf dem Bau; von der Kälte, Vorurteilen und vor allem ihrem Selbstbild. Seit 2017 realisiert das Bühnen Aarau Ensemble jährlich ein Theaterprojekt mit Laien unter der Leitung des Theaterpädagogen Jonas Egloff. Das wechselnde Ensemble geniesst in Aarau einen breiten Rückhalt; auf die Ausschreibung für das Projekt «Baustelle» haben sich elf Berufsleute gemeldet, davon sind vier Zimmermänner, ein Gipser, ein Stromer, ein Strassenbauer und ein Bauingenieur geblieben, um die Bühne zu bearbeiten und die Funken sprühen zu lassen.
Vom Stolz und von der Scham
Während es in der Produktion zuvor um Depressionen, also um innere Konflikte, ging, erwartete Egloff, «auf der Baustelle» viel mehr äusseren Konflikten, wie beispielsweise Schwarzarbeit oder Termindruck, zu begegnen. Das habe sich nur zum Teil bewahrheitet, so der Theaterpädagoge.
«Im Dialog mit den Spielern stellte sich heraus, dass Themen wie Stolz und Scham eine zentrale Rolle spielen», erzählt Egloff, «Identitätsfragen, wie die Gesellschaft auf die Berufsgruppen auf dem Bau blickt und wie die Experten ihrerseits ihre Rolle kommunizieren, sind zentral geworden». Dabei habe bei vielen der Beruf auf einem Kindheitstraum gefusst; am Anfang stand etwa der Bau der ersten Baumhütte, der in einen Berufswunsch mündete und schliesslich dem zum Teil ernüchternden Alltag der Berufslehre wich, «der ein Angriff auf die Träume war», so Egloff. Im Verlauf der Berufsbiografie habe sich dann aber für viele doch noch ein grosser Stolz auf die vollbrachten Leistungen und die erworbenen Fähigkeiten entwickelt. So entstand der Theatertext im Kollektiv. Egloff brachte Textvorschläge, welche die Gruppe diskutierte, ergänzte oder verwarf, wobei Konflikte für die Bühne fruchtbar gemacht wurden.
«Während Profischauspieler darin ausgebildet sind, die Verwandlung zu perfektionieren, nehmen Laien einen grösseren Teil von sich mit auf die Bühne», beschreibt Egloff den besonderen Reiz der Zusammenarbeit mit Laien, die ihre Biografien mitnehmen. «Die Expertise liegt bei den Spielern. Sie haben zu ihrem Kerngebiet, das auf der Bühne verhandelt wird, am meisten zu sagen».
Und für einmal nicht nur im Spiel: Zusammen mit den Regisseuren Robert Baranowski und Benjamin Spinnler – letzterer arbeitet auch immer wieder als Maurer –, und Bühnenbildner Benjamin Küng, gelernter Zimmermann, entwickelte die Gruppe das Bühnenbild. In Windeseile organisierten die Männer Material und Gerätschaften und kümmern sich bei jeder Vorstellung selbst um den Auf- und Abbau des Bühnenbildes. «Noch nie war ein Bühnenbild so schnell auf- und wieder abgebaut», lacht Egloff. Die Ausdauer und Hartnäckigkeit der Gruppe habe ihn beeindruckt. Ohne mit der Wimper zu zucken, hätten die Männer bei den Proben – nach einem Arbeitstag auf dem Bau – oft noch einem zweiten Probedurchlauf zugestimmt, was mit anderen Gruppen kaum denkbar sei.
Grosse Halle, Reitschule Bern, Donnerstag 21. bis Samstag 23. März, jeweils 20.00 Uhr.
Weitere Infos: buehne-aarau.ch