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Von sphärischen Weltraumgeräuschen und archaischen Klangfluten

Avantgardistische Musik hat im Moment keinen leichten Stand. Dem schafft Jahn Antener von Perron3 in Form eines Mini-Festivals Abhilfe. Fünf Acts demonstrieren während eines Abends die Vielfalt der elektronischen Musik.

| Bettina Gugger | Kultur
Kuster
Oli Kuster tüftelte während der Corona-Zeit an seinem elektronischen Sound. Enstanden ist das Album «Répétiteur» (2022). Foto: zvg

«In der elektronischen Musik treffen zwei gegensätzliche Sphären menschlichen Schaffens aufeinander: die künstlerisch-ästhetische Sphäre der Musik und die naturwissenschaftliche Sphäre der Physik und Elektrotechnik», so Jahn Antener von der Booking­agentur Perron3 in der Ankündigung zu «Strom». Mit einer Art Mini-Festival will er den Kosmos der elektronischen Musik einer neugierigen Zuhörerschaft näherbringen. An einem Abend präsentiert er fünf Acts, die in ihrem musikalischen Schaffen auf unterschiedliche Weise mit elektronischen Musikinstrumenten wie Modular Synthesizer, handelsüblichen Powerbooks, Kaoss Pads, OP-1’s, digitalen Klaviaturen und nicht zuletzt Synth Drums experimentieren. Die Anfänge der elektronischen Musik reichen übrigens bis in die 1940er-Jahre zurück, als man noch von «elektrischer Musik» und «elektrischen Musikinstrumenten» sprach.
«Vier der fünf Acts versuche ich seit längerer Zeit zu vermitteln. Im Moment ist es eine grosse Herausforderung, Booking für Künstlerinnen und Künstler zu betreiben, die sich fernab des Mainstreams bewegen», so Jahn Antener. Die Veranstaltenden seien im Moment sehr zurückhaltend und wenig risikofreudig, avantgardistische Acts in ihr Programm aufzunehmen. So sei die Idee entstanden, selbst einen Event zu veranstalten, und sogleich stand der Place Victor im Progr als mögliche Location im Raum.
Und so kommt es, dass sich Annie Aries, Fred Bürki, Oli Kuster, Pless und Werner Hasler einen Abend und einen Veranstaltungsort teilen. «Vielleicht entsteht daraus ein Impuls, weitere Konzerte in dieser Form zu veranstalten», meint Jahn Antener. Die Acts sind im Raum verteilt und wechseln sich nach einem Set von 30 bis 40 Minuten jeweils ab. Dabei hat das Publikum die Gelegenheit, der Musikerin und den Musikern über die Schultern zu schauen.

Musikalische Vielfalt fernab der Genre-Zuschreibungen

Annie Aries’ Klänge haftet das Sphärische, Rätselhafte einer Raumstation an. Durch reduzierte Sounds lässt sie einen komplexen Klangteppich entstehen. Sie experimentiert in ihrer Liveperformance mit ihrem Modular Synthesizer und verbindet feste Patterns mit Improvisation.
Bei Fred Bürkis Projekt Solo 78 steht der Rhythmus im Zentrum, ­seine Soundflächen bestechen durch eine chillige Melodiösität. Der Schlagzeuger, der sonst Künstlerinnen und Künstler wie Emilie Zoé, Sirens of ­Lesbos oder Me & Mobi begleitet, webt Gesangs- und Rapeinlagen in seinen flächigen, tragenden Sound, der das Tanzbein zucken lässt.
Oli Kuster, Pianist, Keyboarder, Produzent und Komponist schafft mit seinem Modular Synthesizer Klangwelten zwischen Minimal Techno und Trance, wobei er analoge Töne zu- und wegschaltet und damit einen treibenden Sound schafft, der sich aus sich selbst heraus zu generieren scheint und der zum Schweben, Abtauchen, Stampfen und Wippen verführt.
Pless’ Wurzeln reichen zurück zur Metalband «Unhold» und manifestieren sich auch elektronisch. Philipp Thöni und Leo Matkovic erzeugen eine massive, mitreissende, archaische Flutwelle, welche die ganz grossen Gefühle evoziert.
Und Werner Hasler webt analoge Klänge von Musikinstrumenten in seine elektronische Musik ein. Hier trifft der dumpfe, schleifende Ton eines Geigenbogens auf industrielle Geräusche, bevor die Töne langsam heller und satter werden. Hasler erzählt mit seiner Musik Geschichten, die einen ganz eigenen Kosmos entstehen lassen.
«Strom» zeigt die Vielfalt der elek­tronischen Musik und verzichtet bewusst auf Genre-Zuschreibungen.

 

Place Victor, Progr Bern, 20. April, 20.30 Uhr. Weitere Infos: perron3.ch


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