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«Beim Amateurtheater beeinflussen die Schauspielenden das Konzept»

Der Regisseur und Leiter der Emmentaler Liebhaberbühne, Ulrich Simon Eggimann, inszeniert zum ersten Mal bei den Freilichtspielen Moosegg. Der «Anzeiger Region Bern» sprach mit dem Regisseur über den «Beindlichrämer». 

| Bettina Gugger | Kultur
Beindlichrämer
Emanuel Greller als Beindlichrämer. Foto: Simon Schwab

«Anzeiger Region Bern»: Ulrich Simon Eggimann, was war Ihre erste Reaktion, als Sie das Stück «Beindlichrämer» zum ersten Mal gelesen haben?

Ulrich Simon Eggimann: Simon Burkhalter, der künstlerische Leiter der Freilichtspiele Moosegg, machte mir drei Vorschläge. Wir haben uns schliesslich zusammen für den «Beindli­chrämer» entschieden – Burkhalters berndeutsche Übersetzung der Komödie «Der Boandlkramer und die ewige Liebe» von Michael «Bully» Herbig. Da ich Herbigs Film kannte, war ich begeistert. Das ist eine so farbige und positive Geschichte, auch wenn die Hauptfigur der Tod ist; dieser soll die Seelen der Verstorbenen in den Himmel oder die Hölle befördern, richtet aber ein Durcheinander an, weil er Händel eingeht, vor allem mit dem Teufel. Das Stück verhandelt die Frage, welche Konsequenzen es hat, wenn man sich mit der falschen Seite einlässt. Dann sind da die Zwischenwelten, Himmel und Hölle, die in unserer Vorstellung existieren. Und die reale Welt schliesslich ist sehr nahe an den Menschen, an unserer Zeit. Die Protagonistin ist eine alleinerziehende Mutter, deren Kind, in unserer Fassung die Tochter, unter ein Auto kommt. Der Beindli­chrämer müsste es mitnehmen. Aber da er sich in die Mutter, die Leni, verguckt, rettet er das Mädchen. Anstelle des Mädchens muss er jedoch einen anderen Menschen abliefern und verursacht dadurch ein Chaos …

 Was ist Ihnen bei der Umsetzung des Stückes besonders wichtig?

Ich will den verschiedenen Welten gerecht werden; eine Fantasiewelt aufbauen und diese dann mit der realen Welt verschmelzen lassen. Beim Amateurtheater wird das Konzept stark von den Schauspielenden beeinflusst. Ich kann ihnen keine Mäntelchen überstülpen, sondern muss das nehmen, was von ihnen kommt, damit sie in den Rollen sich selbst sein können. Mir ist wichtig, Theater fürs Publikum zu machen und nicht am Publikum vorbei. 

Die Kostüme scheinen eine Mischung aus historischen Kostümen, angelehnt an die Nachkriegszeit, und zeitgenössischen Kostümen zu sein. Können Sie uns mehr darüber verraten?

Ich spreche jetzt für meine Tochter Lisa Eggimann, welche die Kostüme gemacht hat. Das war übrigens ein Zufall, dass wir bei dieser Inszenierung zusammenarbeiten. Sie war als Kostümschneiderin bereits letztes Jahr auf der Moosegg, und ich kam neu dazu. Sie hat aber schon viele meiner Inszenierungen begleitet. Wenn man mit einem Familienmitglied zusammenarbeitet, findet ein Dauerdialog statt, wobei wir lieber über das Stück als über die Kostüme sprechen. So entwickelte sie ihr Konzept. Sie ist so krativ – ich rede ihr da auch überhaupt nicht drein. Die Nachkriegskostüme betreffen die reale Welt, die Kostüme der Fantasiewelten sind entsprechend fantasievoll … Die zwei Welten unterscheiden sich visuell, und dennoch verbinden sie sich am Ende. Auf der Moosegg ist das auch etwas Ungewohntes. 

Wie wird das Bühnenbild ­aussehen?

Das ist der andere Lottosechser. Ich habe zuvor noch nie mit Andreas Stettler zusammengearbeitet. Wir haben einen wunderbaren Dialog. Schon früh haben Andreas, Lisa und ich uns zu dritt getroffen und das Konzept im Team entwickelt. Wir haben eine riesige Kirche, Andreas sagt Halle dazu, in den Wald gestellt. Dieses Versatzstück steht für die Fantasiewelt, für Himmel und Hölle. Wir zollen dem Gebiet Respekt und lassen den Wald Wald sein. Wenn man auf einem Spaziergang an der Halle vorbeigeht, bleibt man staunend stehen. Wäre ich jünger, würde ich gerne weitere Projekte mit Andreas realisieren, wobei ich nicht weiss, was noch alles auf mich zukommt …

Welche Rolle spielt die Musik im Stück?

Karl Johannes Rechsteiner und Manuel Ledergerber, ein junger Musiker aus Zürich, haben sie zusammen entwickelt. Das war auch eine schöne Zusammenarbeit. Manuel hat die Soundeffekte kreiert, die für Himmel und Hölle stehen, und die Ouvertüre, Blasmusik, und das Ausgangsspiel komponiert. Karl tritt als Klarinette spielender Teufel auf. Er macht die Verbindung von der Rolle übers Instrument zum gesamten Musikkonzept. Ich habe versucht, die Musik so einzubinden, dass sie Karl beim Spielen befreit. Er ist der improvisatorische Teil, der mit der Klarinette auf der Bühne reagiert. Die Schauspielenden müssen auch singen, nichts Kompliziertes, aber mit grossem Unterhaltungscharakter …

Sie sind ausgebildeter Opernsänger und haben im deutschsprachigen Raum Karriere gemacht. Wie kamen Sie zur Regie und zum Laientheater? 

Das Amateurtheater war für meine Schauspielausbildung entscheidend. Ich studierte an der Hochschule in Zürich zuerst Schauspiel, wechselte dann Richtung Musiktheater und machte letztendlich mein Operndiplom. Bereits als 15-Jähriger besuchte ich Aufführungen der Emmentaler Lieb­haberbühne, da mein Vater mit Ruedi Stalder, dem damaligen Leiter der Liebhaberbühne, befreundet war. Durch die erste Fernsehaufzeichnung der berndeutschen Fassung der «Alten Dame» von Friedrich Dürrenmatt wurde die Emmentaler Liebhaberbühne bekannt. Ich sass damals an der Premiere im Kalkofen in Hasle-Rüegsau im Publikum. Nach der Inszenierung betrat Dürrenmatt die Bühne und lobte die Inszenierung. Das hat mich sozialisiert. Ich habe mich dann bei Stalder gemeldet und mein Interesse als Schauspieler bekundet. Kurz darauf bot er mir eine Rolle in Simon Gfellers «Hansjoggeli, der Erbvetter» – nach Gotthelf – an. Das Stück haben wir 75 Mal in zwei Spielzeiten gespielt. So kam ich auch in Kontakt mit Fernsehregisseuren. Das war eigentlich die Initialzündung fürs Regieführen. Über Assistenzen habe ich das Handwerk gelernt, da es damals in der Schweiz noch keine Regieschulen gab. Schliesslich trat ich als Wunschkandidat Stalders Nachfolge bei der Liebhaberbühne an. Mittlerweile habe ich 30 Inszenierungen gemacht, jährlich eine. 

 Da kam Ihnen Ihre pädagogische Ausbildung sicherlich auch zugute …

Wenn man mit Amateuren arbeitet, ist eine Schauspielausbildung zwingend. Aber es braucht auch die Pädagogik, denn die Darstellerinnen und Darsteller geben ihr Herzblut rein. Man darf ihnen die Freude nicht nehmen und muss sie dort abholen, wo sie sind. 

Werden Sie in Zukunft auch weiterhin als Sänger auf der Bühne stehen?

Ich habe eine Gesangskarriere gemacht, aber ich war nicht die Stimme, von der man weltweit gesprochen hat. Mein Spezialgebiet waren immer die Spielrollen bei Mozart, Papageno als junger Mann, Leporello oder Figaro, und dann auch Zwölftonmusik, da ich relativ gut vom Blatt lesen konnte. Durch meine Regietätigkeiten – im Moment habe ich vier Stücke im Kopf –habe ich eigentlich keine Zeit mehr fürs Singen. Stimmlich geht es mir gut. Ich habe vor noch nicht langer Zeit grosse Partien gesungen. Singen ist sportiv. Stimmlippen sind Muskeln, wenn man die nicht trainiert, nehmen sie ab. Ganz weg vom Singen komme ich sicherlich nicht, das ist einfach meine Leidenschaft, die ich zum Beruf gemacht habe. Aber ich kann sie auch als Hobby pflegen – mit meinem Vokalensemble VOC-E. 

 

Moosegg, 4. Juli bis 17. August. Jeweils Mittwoch bis Samstag, 20.15 Uhr, ausgenommen 1. August. 

Ersatzspieltage und weitere Infos:

freilichtspielemoosegg.ch

eggimann-bariton.ch 

 

Ulrich Simon Eggimann

 … wurde in Bern geboren. Er absolvierte das Lehrerseminar. Parallel zu seiner Tätigkeit als Primarlehrer begann er Anfang 20 ­seine sängerische Ausbildung. Mit Mitte 20 wechselte er an die Hochschule und Musikakademie nach Zürich (heute ZHdK), wo er Gesang und Schauspiel studierte und nach drei Jahren seine Opernausbildung mit Diplom abschloss. Mit 32 Jahren kam er als Musiklehrer ans Gymnasium Lerbermatt. Später wechselte er als Dozent an die Päda­gogische Hochschule Bern. 

Als Opernsänger hatte er En­gagements an schweizerischen und ausländischen Bühnen, u. a. am Stadttheater Bern, dem Theater Biel Solothurn, am Theater Basel und am Opernhaus Zürich, dem Theater der Hansestadt Lübeck und dem oberösterreichischen Landestheater Linz, an der Oper von Avenches, der Gartenoper Langenthal, den Freilichtspielen Moosegg und der Sommeroperette Bümpliz.

Seit vielen Jahren ist er erfolgreicher Regisseur und Leiter der Emmentaler Liebhaberbühne. (pd)


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